TN 07/2007, 16. November 2007

Gehaltstarifrunde 2007/2008: Sogenannte Warnstreiks sind derzeit unzulässig

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie der Geschäftsführung des AGV heute Morgen zugetragen wurde, hat die Gewerkschaft ver.di für heute in einigen Betrieben zu „Warnstreiks“ aufgerufen. Hierzu stellen wir Folgendes fest:

Warnstreiks sind jedenfalls bis zum Abschluss des für den 23. November 2007 fest vereinbarten Verhandlungstermins rechtswidrig. Die Beteiligung an derartigen Aktionen ist unzulässig und stellt einen arbeitsvertraglichen Verstoß dar.

Die Gewerkschaft ver.di hat mit Schreiben vom 4. Juni 2007 ausschließlich den Gehaltstarifvertrag gekündigt. Sie unterliegt somit bezüglich aller Regelungsgegenstände, die nicht mit dem Gehaltstarif in Zusammenhang stehen (Manteltarifvertrag, Rationalisierungsschutz einschl. etwaiger Umstrukturierungsmaßnahmen, Altersteilzeitabkommen etc.), der relativen Friedenspflicht. Arbeitskampfmaßnahmen sind allein zum Zwecke der Durchsetzung eines neuen Gehaltstarifvertrages zulässig.

Die Tarifvertragsparteien verständigten sich bereits im Frühjahr 2007 auf drei Verhandlungstermine für die diesjährige Tarifrunde (25. September, 23. Oktober, 23. November). Zwischen den Tarifvertragsparteien war in der ersten Runde der Tarifverhandlungen am 25. September 2007 abgestimmt worden, dass in der ersten Verhandlungsrunde die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erörtert werden, in der zweiten Verhandlungsrunde die Forderungen beider Seiten zum Manteltarif diskutiert würden und in der dritten Verhandlungsrunde versucht werde, unter Einbezug des in den beiden vorhergehenden Runden erreichten Verhandlungsstandes eine Einigung über die Lohnfrage zu erzielen. Bei diesem Verhandlungsablauf ist es bis heute geblieben. ver.di hat weder am 25. September noch zu einem späteren Zeitpunkt erklärt, dass von dem bisherigen besprochenen Verhandlungsablauf abgerückt werden soll. Beide Seiten waren sich am 23. Oktober 2007 einig, dass die Gespräche am 23. November 2007 fortgesetzt werden sollen. Für den 19. November 2007 wurde ein vorbereitendes Redaktionsgespräch der Parteien auf Geschäftsführungsebene vereinbart, um die technischen Voraussetzungen für einen möglichen Abschluss am 23. November zu schaffen.

Der AGV hat für die Verhandlungsrunde am 23. November 2007 angekündigt, ein Gehaltsangebot unterbreiten zu wollen. ver.di hat dies zur Kenntnis genommen. Insbesondere wurden die Verhandlungen von ver.di nicht für gescheitert erklärt.

Aufgrund dieses Verhandlungsverlaufs sind derzeit von der Gewerkschaft ver.di organisierte Arbeitsniederlegungen – in welcher Form auch immer sie erfolgen – rechtswidrig.

Nach der vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 21. April 1971 (AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) weiterentwickelten Arbeitskampflehre ist ein rechtmäßiger Arbeitskampf nur möglich, wenn zuvor auf dem Verhandlungswege keine Ergebnisse erzielt wurden („ultima ratio“-Prinzip). Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Arbeitskampfes ist es daher, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Seit der Entscheidung des BAG vom 21. Juni 1988 (1 AZR 651/86) werden auch sog. „Warnstreiks“ dem Arbeitskampf zugeordnet. Es müssen daher auch für kurzfristige Arbeitsniederlegungen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Arbeitskampfes vorliegen.

Diese Voraussetzungen sind bisher in unserem Tarifbereich nicht erfüllt. Insbesondere kann in der Organisation von sog. „Warnstreiks“ nicht konkludent eine Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen durch ver.di erblickt werden (so andeutungsweise das BAG in der Entscheidung vom 21. Juni 1988, a. a. O.), da der mit der Gewerkschaft bereits weit im Vorfeld der Tarifrunde abgestimmte und von keiner Seite in Frage gestellte Verhandlungsfahrplan bisher nicht abgearbeitet worden ist.

Die vereinbarten Verhandlungen der Tarifvertragsparteien werden am 23. November 2007 wie geplant fortgesetzt. Bis Abschluss dieses Termins, insbesondere auch am 23. November selbst und ggf. weiterer fest vereinbarter Termine sind Warnstreiks und die Teilnahme von Arbeitnehmern an derartigen Aktionen rechtswidrig.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Jörg Müller-Stein, Dr. Sebastian Hopfner