Überblick

Arbeitgeber darf Testpflicht für Mitarbeiter anordnen

Der Arbeitgeber darf einseitig Corona-Tests anordnen, um auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts seinen arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 entwickelte die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts eine Teststrategie. Zuvor hatte sie zum Schutz der Mitarbeiter vor COVID-19-Erkrankungen bereits bauliche und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenbereichs und die Neuregelung von Zu- und Abgängen ergriffen. Die Teststrategie sah vor, die Beschäftigten in Risikogruppen einzuteilen und die jeweiligen Gruppen zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen zu verpflichten.

Als Orchestermusikerin sollte die Klägerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an. Die Klägerin weigerte sich jedoch, PCR-Tests durchführen zu lassen und meinte, diese seien zu ungenau und stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit dar. Anlasslose Massentests seien unzulässig. Ihr Arbeitgeber stellte sie daraufhin unbezahlt frei. Dagegen richtete sich die Klage.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 1.6.2022 (5 AZR 28/22) die Klage letztinstanzlich abgewiesen. Der Arbeitgeber sei nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des ArbSchG konkretisierten den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen könnte der Arbeitgeber hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen werde im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.

Hiervon ausgehend war die Anweisung des beklagten Arbeitgebers zur Durchführung von PCR-Tests rechtmäßig. Der Arbeitgeber hatte zur Bekämpfung der Pandemie zunächst technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen, diese aber nicht als ausreichend erachtet. Der Arbeitgeber hat sodann ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vorsah. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin entsprachen billigem Ermessen i.S.v. § 106 GewO. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit war verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig. Die Klage war daher abzuweisen.

Bewertung

Die Entscheidung ist zu begrüßen und zum Verkündungszeitpunkt im Juni 2022 ein wichtiger Anhaltspunkt für die Ausübung des billigen Ermessens im Rahmen des betrieblichen Infektionsschutzes: Der entschiedene Fall spielte im Sommer 2020, als es ebenfalls keine gesetzlichen Testpflichten für Beschäftigte gab. Die zwischenzeitlich geltenden öffentlich-rechtlichen Testpflichten und Vorgaben für Testanordnungen sind mit dem Ende der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung am 25. Mai 2022 wieder ausgelaufen. Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass Arbeitgeber auch ohne konkret gesetzlich geregelte Testpflichten befugt sein können, als Maßnahme des Arbeitsschutzes nach § 3 ArbSchG i.V.m. § 106 GewO zur Pandemiebekämpfung eine Testpflicht für ihre Mitarbeiter einseitig anzuordnen.

Die noch ausführlicheren schriftlichen Entscheidungsgründe werden wie üblich erst mit einigen Wochen oder Monaten Verzögerung abgesetzt.

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