Überblick

Update „Next Generation EU”

Europäischer Rat einigt sich auf Aufbaufonds und mehrjährigen Finanzrahmen.

Nachdem die Europäische Kommission am 27. Mai 2020 einen umfassenden Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 vorgestellt hat (Arbeitgeber-Rundschreiben 30/2020 vom 5. Juni 2020), haben sich die Staats- und Regierungschefs nun am 21. Juli 2020 auf einen Aufbaufonds sowie ein langfristiges EU-Budget geeinigt (Anhang).

Hiervon sind insbesondere die nachfolgenden Regelungen und Maßnahmen umfasst:

Aufbaufonds „Next Generation EU“

Mit dem Aufbaufonds „Next Generation EU“ werden die Aufbaumaßnahmen der Mitgliedstaaten in Folge der COVID-19-Krise finanziell unterstützt. Die Finanzhilfen werden über die neue Aufbau- und Resilienzfazilität oder über die sektoralen Programme der Europäischen Union erfolgen. Der Fonds umfasst insgesamt 750 Mrd. €. Er besteht in Höhe von 360 Mrd. € aus Krediten sowie in Höhe von 390 Mrd. € aus nicht zurückzahlbaren Zuschüssen. Dementgegen hatte die Europäische Kommission ursprünglich 500 Mrd. € in Zuschüssen und 250 Mrd. € in Krediten vorgeschlagen.

Um die Mittel zu mobilisieren, nimmt die Europäische Kommission Kredite an den Kapitalmärkten auf. Ferner wird die Eigenmittelobergrenze vorübergehend um 0,6%-Punkte auf 2,0 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) erhöht. Die Rückzahlung dieser Kredite soll bis spätestens 2058 erfolgen.

Aufbau- und Resilienzfazilität

Der Großteil der Mittel des Aufbaufonds entfallen auf die neue Aufbau- und Resilienzfazilität, für die eine Laufzeit bis Ende 2023 vorgesehen ist. Hierfür stehen insgesamt 672,5 Mrd. € zur Verfügung, wovon 360 Mrd. € auf Kredite und 312,5 Mrd. € auf Zuschüsse entfallen. 70 % dieser Mittel sollen den EU-Mitgliedstaaten bereits in den Jahren 2021 und 2022 zufließen.

Die Aufteilung der Zuschüsse unter den Mitgliedstaaten soll nach den Kriterien wie Einwohnerzahl, umgekehrtes Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie durchschnittliche Arbeitslosenquote im Zeitraum von 2015 bis 2019 erfolgen. Für das Jahr 2023 wird das Kriterium der Arbeitslosenquote durch den realen Bruttoinlandsproduktverlust im Jahr 2020 und kumulierten Bruttoinlandsproduktverlust der Jahre 2020 bis 2021 ersetzt. Kredite können die Mitgliedstaaten maximal in Höhe von 6,8 % des jeweiligen BNE beantragen.

Die Fazilität soll Reformen und Investitionen in den Mitgliedstaaten unterstützen. Hierfür müssen die Mitgliedstaaten nationale Aufbau- und Resilienzpläne vorbereiten, die sich unter anderem an den länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters sowie an den politischen Prioritäten „Green Deal“ und „Digitalisierung“ orientieren sollen. Die nationalen Pläne sollen die Jahre 2021 bis 2023 umfassen, wobei eine Überprüfung und ggf. eine Anpassung im Jahr stattfinden wird. Für die konkreten Zahlungen ist erforderlich, dass die entsprechenden Etappenziele und Zielvorgaben erfüllt werden.

Mehrjähriger Finanzrahmen für den Zeitraum 2021 bis 2027 (MFR)

Das langfristige Budget der EU für den Zeitraum von 2021 bis 2027 soll Verpflichtungen in Höhe von 1.074 Mrd. € umfassen. Dieses Budget ist geringer als der Vorschlag der Europäischen Kommission im Mai 2018 (1.135 Mrd. €) oder des Präsidenten des Europäischen Rates im Februar 2020 (1.095 Mrd. €). Die Eigenmittelobergrenze wird auf 1,4 % des BNE erhöht.

Bei den traditionellen Eigenmitteln wurden die Erhebungskosten, welche die Mitgliedstaaten für sich behalten dürfen, von aktuell 20 % auf 25 % erhöht. Das Mehrwertsteuer-Eigenmittel wird vereinfacht und ein einheitlicher Satz von 0,3 % der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage für alle Mitgliedstaaten verwendet, wobei dies für keinen Mitgliedstaat 50 % des BNE überschreiten darf.

Die Einführung neuer EU-Eigenmittel im Laufe der nächsten Jahre wird wie folgt angeregt:

  • Einführung einer neuen Einnahmequelle auf Basis von nicht-recycelten Kunststoffabfällen mit einem Abrufsatz von 0,8 € pro Kilogramm
  • Aufruf der Kommission, einen Vorschlag für ein überarbeitetes Emissionshandelssystem sowie – bereits im ersten Halbjahr 2021 – Vorschläge für ein CO2-Grenzausgleichsystem und eine Digitalabgabe vorzulegen
  • Anregung für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen andere Einnahmequellen auszuarbeiten, insbesondere die Finanztransaktionssteuer
  • Verwendung der Einnahmen aus den neuen Eigenmittelquellen für die vorzeitige Rückzahlung der EU-Kredite im Rahmen des Aufbaufonds.

Deutschland, Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark erhalten weiterhin einen Rabatt auf die Mitgliedsbeiträge. Für Deutschland wird dies als Pauschalkorrektur im Rahmen der Unterstützung für Aufbau und Resilienz erfolgen, für andere als Pauschalkorrektur des BNE-basierten Beitrags. Die Pauschalkorrektur Deutschlands beträgt 3.671 Mio. €.

Außerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens für den Zeitraum 2021 bis 2027 soll eine neue Reserve für die Anpassung an den Brexit in Höhe von 5 Mrd. € eingeführt werden. Auf diese Weise sollen die am schwersten betroffenen Mitgliedstaaten und Sektoren unterstützt werden.

Hinsichtlich der Rechtstaatlichkeit wird in den Schlussfolgerungen betont, dass der Europäische Rat die Bedeutung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit unterstreicht und eine Konditionalitätsregelung einführen will. Die Kommission soll Maßnahmen vorschlagen, die vom Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden sollen. Es wird anregt, dass der Europäische Rat sich rasch mit der Angelegenheit befasst.

Nächste Schritte

Die Mantelverordnung für den Aufbaufonds sowie die einschlägigen sektoralen Vorschläge müssen vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament gemeinsam im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen werden. Die Aufbau- und Resilienzfazilität wird hingegen alleine vom Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit als Ratsverordnung erlassen.

Der Mehrjährige Finanzrahmen wird im nächsten Schritt mit dem Europäischen Parlament verhandelt. Nach Zustimmung des Europäischen Parlaments mit der Mehrheit seiner Mitglieder muss er dann noch vom Rat der Europäischen Union einstimmig angenommen werden. Die sektoralen Programme des Mehrjährige Finanzrahmens müssen vom Parlament und Rat der Europäischen Union auch noch behandelt und im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen werden.

Der Eigenmittelbeschluss, der sowohl für den Mehrjährigen Finanzrahmen als auch für die Kreditaufnahme des Aufbaufonds benötigt wird, muss nach der Anhörung des Europäischen Parlaments und einstimmigem Beschluss des Rates der Europäische Union noch durch nationale Parlamente ratifiziert werden.

Bewertung

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der Europäische Rat sich noch vor der Sommerpause auf den Aufbaufonds und den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen geeinigt hat. Dies ist ein starkes Signal, dass die Europäische Union für Solidarität und gegenseitige Unterstützung in schweren Zeiten steht. Nun müssen die Rechtstexte schnellstmöglich angenommen und ratifiziert werden, damit die Mittel ab dem 1. Januar 2021 abgerufen werden und die Programme starten können. Die exogen verursachte Krise ohne eigenes Verschulden der EU-Mitgliedstaaten macht den Schritt der gemeinsamen Schuldenaufnahme in beispielloser Höhe erforderlich. Dabei ist der Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung zwingend erforderlich gewesen. Zugleich kommt es aber darauf an, dass die Mittel zukunfts- und wachstumsorientiert investiert und mit den richtigen politischen Prioritäten unterlegt werden. Es ist auch richtig, dass das Europäische Semester hierzu deutlich aufgewertet wird. Wie jetzt schon beim Europäischen Semester müssen die nationalen Sozialpartner bei der Vorbereitung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne eng eingebunden werden. Hauptaugenmerk müssen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung des Binnenmarktes sein. Neue Eigenmittel dürfen die Wachstumsimpulse nicht konterkarieren.

Ansprechpartner: