Frauen im Vertrieb – ein unerschlossenes Potenzial

Warum ist der Versicherungsvertrieb nach wie vor eine traditionelle Männerdomäne? Mit welchen Maßnahmen kann die Branche mehr Frauen für den Vertrieb gewinnen?

Diese Fragen waren u. a. Gegenstand der Personalleiter-Tagungen Außendienst am 18./19. September 2012 in Hamburg und 7./8. November 2012 in Münster.

So diskutierten nahezu vollständig männlich besetzte Arbeitsgruppen die Thematik „Frauen im Vertrieb“. Die Ergebnisse waren nicht überraschend. Fakt sei, dass mit einem männerdominierten Vertrieb Mitarbeiter- und Geschäftspotenziale vertan würden. Frauen seien häufig besser ausgebildet als Männer und würden als Kundenzielgruppe immer stärker in den Fokus der Versicherer rücken. Es genüge nicht, lediglich die Versicherungsprodukte frauenspezifischer zu gestalten. So würden viele Frauen lieber von Frauen beraten werden. Aber auch Männer und insbesondere ältere Menschen sollen Frauen als Beraterinnen favorisieren.

Schon bald werde auch der demografische Wandel die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen: Wer sich langfristig am Markt behaupten wolle, müsse Frauen für den Vertrieb gewinnen.

Aber warum scheint „Frau“ für den Verkauf von Versicherungen überhaupt so geeignet? Eigenschaften, die typischerweise dem weiblichen Geschlecht zugesagt werden, seien nach Auffassung der Arbeitsgruppe für den Vertrieb besonders wertvoll. Frauen gelten als äußerst kommunikativ, loyal und besitzen die Fähigkeit, (aktiv) zuzuhören. Im Vergleich zu Männern würden Frauen meist über eine stärker ausgeprägte emotionale Intelligenz verfügen. Dadurch falle es ihnen besonders leicht, eine Beziehungsebene zum Kunden aufzubauen. Die Teilnehmer betonen, dass es genau diese positiven weiblichen Attribute seien, die das Image des Versicherungsvertriebs insgesamt aufwerten könnten.

Ist die „Männerkultur im Vertrieb“ das entscheidende Hemmnis, Frauen für den Vertrieb zu gewinnen? „Ja“, so die Meinungen in den Arbeitsgruppen: Frauen würden anders als Männern häufig mehr Sicherheit im Job suchen. So sollen sie eher gleichbleibende und vorhersehbare Arbeitszeiten ebenso wie ein geregeltes Einkommen präferieren. Ferner seien Frauen eher „Teamplayer“. Das aber stünde im Widerspruch zum Image des „Verkäufers“, das nicht nur als aggressiv und wettbewerbsorientiert gelte, sondern zugleich von der Mentalität des Einzelkämpfers geprägt sei. Zudem hätten Frauen im Vertrieb auch mit Vorbehalten manch männlicher Kollegen zu kämpfen.

Könnten weibliche Karrierevorbilder den Vertrieb für Frauen attraktiver machen? „Ja, unbedingt!“. Role Models beweisen, dass „Frau“ nicht Mann werden muss, um Karriere im Vertrieb zu machen. Vielmehr könnte sie potentiellen Bewerberinnen die Scheu nehmen, den Schritt in den Vertrieb zu wagen. So seien erfolgreiche Vertriebsmitarbeiterinnen mit Kindern das beste Beispiel dafür, dass auch im Außendienst Beruf und Familie miteinander vereinbart werden kann.

Wie können Versicherer mehr Frauen für den Vertrieb gewinnen?

Die Arbeitsgruppen erarbeiteten hierzu verschiedene praktische Lösungsansätze. Es sei denkbar, bestehende Vergütungsstrukturen zu modifizieren. So könne die Reduzierung der erfolgsabhängigen Vergütung zu Gunsten eines höheren Fixgehalts die Angst vor unkalkulierbaren finanziellen Risiken minimieren. Als erfolgversprechend wertet die Arbeitsgruppe für den Bereich des angestellten Außendiensts vor allem Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies z. B. durch umfangreichere Kinderbetreuungsangebote oder sonstige Zuschüsse des Arbeitgebers. Ebenso könnten die Bedürfnisse von Vertriebsmitarbeiterinnen mit Kindern beim (räumlichen) Zuschnitt des Vertriebsgebietes stärker berücksichtigt werden, um insbesondere Reisezeiten zu reduzieren. Denkbar wären auch Modelle zur Teilbeschäftigung. Das Bilden von Netzwerken zum Erfahrungsaustausch sowie Coaching oder Mentoring wären zudem konstruktive Maßnahmen, um Frauen beim Einstieg in den Vertrieb zu begleiten.