Frauenförderung von Anfang an mit dem Programm „Frauen im Management“

Interview mit Thomas Barann, Leiter Abteilung Personal

Herr Barann, warum engagiert sich die Gothaer im Bereich Gender Diversity?

Weil wir fest davon überzeugt sind, dass Unternehmen, die auf Diversity setzen und Diversity aktiv fördern, langfristig auch unternehmerisch erfolgreicher sind. Monokulturen halten wir dagegen für ungeeignet. Damit meine ich auch reine Frauenkulturen, die sind genauso schädlich wie reine Männerkulturen. Allerdings haben wir in einigen Bereichen immer noch reine Männerkulturen.

Und in welchen Bereichen läuft es schon besser?

Bei unserem Nachwuchs-Managementprogramm haben wir einen Frauenanteil von etwa 50 Prozent. Dort setzen sich in den Assessment-Centern auch tatsächlich die Frauen besser durch als die Männer. Und diese jungen Menschen tauchen dann natürlich – zu Ausbildungszwecken – in den strategisch wichtigen Projekten auf und arbeiten da mit. Dadurch haben wir dort auch viele junge Frauen. Also in der Nachfolgeplanung für die nächsten Jahre bin ich guten Mutes, dass wir einen relativ hohen Frauenanteil auch in die oberen Führungsebenen bekommen werden.

Wie viele sind es im Moment in den oberen Führungsebenen?

Wir haben jetzt schon bis in die dritte Ebene einen relativ hohen Frauenanteil von 32 Prozent, das ist schon viel. In der ersten und in der zweiten Ebene, da hapert es allerdings noch. Deshalb haben wir uns gefragt, wie wir das ändern können.

Und was tun Sie konkret um Frauen bis dorthin zu fördern?

Wir achten darauf, dass wir die Frauen von Anfang an fördern. Also in den Start-up-Programmen haben wir wie gesagt viele Frauen. Das sind unsere Programme für Hochschulabsolventen, direkt von der Universität. Viele von ihnen haben auch schon vorher bei uns Praktika gemacht, haben uns also schon kennengelernt. Und dann bilden wir sie über zwei Jahre aus, in einem „Training on the Job“. Dabei gucken sie nicht nur über die Schulter oder besuchen Seminare, sondern arbeiten wirklich mit. Im Wesentlichen machen sie drei bis vier verschiedene Jobfamilien in der Zeit durch, wobei alle einmal im Vertrieb gewesen sein müssen. Zusätzlich machen sie in dieser Zeit auch noch den Versicherungsfachwirt. Danach sind sie dann sehr gut ausgebildet und werden uns von den Fachbereichen regelrecht aus den Händen gerissen. In diesen Programmen haben wir seit den letzten drei Jahrgängen einen leichten Frauenüberschuss. Und natürlich sind die Frauen in diesen Programmen genauso gut und genauso erfolgreich wie die Männer. Das sehen auch die älteren Manager, die noch aus der reinen Männerwelt kommen.

Das heißt also, wenn Sie auf die Zahlen blicken, stellen Sie fest, dass von unten die Pipeline gut gefüllt ist. Was tun Sie, damit diese Frauen auch oben ankommen?

Dafür haben wir unser „Frauen im Management“-Programm. Das ist dank einer Initiative einiger engagierter weiblicher Führungskräfte zunächst als informelle Arbeitsgruppe – bestehend aus weiblichen Führungskräften der Ebenen eins und zwei sowie zwei Mitarbeiterinnen der Personalabteilung – entstanden. Sie haben sich ganz differenziert mit den Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen auf Managementpositionen auseinandergesetzt und Lösungsvorschläge entwickelt.

Was sind Ihre Zielsetzungen?

Mit dem Projekt „Frauen im Management“ sind zwei zentrale Zielsetzungen verknüpft: Zum einen die spürbare Erhöhung des Frauenanteils im Management und zum anderen die Steigerung des Unternehmenswertes. Denn wir sind uns darüber im Klaren: Karriereförderung für Frauen ist weit mehr als „nice to have“. Sie leistet einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und ist daher – heute stärker denn je – aus unternehmensstrategischer und betriebswirtschaftlicher Perspektive empfehlenswert.

Und wie wollen Sie diese Ziele erreichen?

Wir konzentrieren uns zunächst auf drei Aspekte, die wir für wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg halten: Rekrutierung, Mentoring und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Was verbirgt sich hinter den einzelnen Punkten?

Da ist zum einen die Rekrutierung und Entwicklung. Wir überprüfen die gängige Auswahl- und Beurteilungspraxis und sensibilisieren unsere Führungskräfte, aber auch andere Personen, die am Auswahlprozess beteiligt sind. Damit sollen die Voraussetzungen für eine Identifikation und Förderung von Führungspotenzial bei Mitarbeiterinnen und Bewerberinnen verbessert werden. Unsere Gothaer Kompetenzkriterien bei der Personalauswahl, -beurteilung und -entwicklung beinhalten eine gesunde Mischung aus weiblich und männlich konnotierten Kompetenzen. Demnach ist das Managerbild der Gothaer – zumindest auf dem Papier – nicht einseitig maskulin geprägt, sondern ausgewogen gestaltet.

Punkt zwei ist das Mentoring-Programm für Frauen, mit dem wiederum drei zentrale Ziele verfolgt werden: Förderung von Bewusstsein und Akzeptanz für das Thema, gezielte Karriereplanung und Förderung sowie Vernetzung im Management für Frauen mit Führungspotenzial. Und schließlich werden Mentorinnen und Mentoren zu Multiplikatoren für das Thema „Frauen im Management“.

Drittens das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dem widmet sich die Gothaer schon seit geraumer Zeit und hat in der Vergangenheit bereits einschlägige Maßnahmen dazu entwickelt. So wurde bei Bedarf betrieblicher Elternurlaub gewährt, durch ein Gleitzeitmodell ohne Kernarbeitszeiten und individuelle Teilzeitlösungen hohe Arbeitszeitflexibilität sichergestellt und durch eine Kooperation mit dem Kindergarten vor Ort und dem Familienservice Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung angeboten. Und ganz aktuell sind wir zurzeit dabei, ein Pilotprojekt zur Telearbeit zu entwickeln. Davon versprechen wir uns auch, dass Frauen die Möglichkeit haben, eher aus der Elternzeit zurückzukommen und dass es uns auch leichter fällt, Frauen mit kleinen Kindern zu rekrutieren.

Warum glauben Sie, dass diese Maßnahmen die richtigen sind?

Wir haben 2006 im Rahmen einer Diplomarbeit eine schriftliche Befragung zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ in der Gothaer Belegschaft durchgeführt. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass die Gothaer durchaus über Mitarbeiterinnen mit Aufstiegsambitionen verfügt, gute Erfahrungen mit Frauen in Führungspositionen gemacht hat und dass aus Sicht der Belegschaft ein höherer Frauenanteil im Management vorteilhaft wäre. Es kam aber auch ans Tageslicht, dass auf dem Weg zur Chancengleichheit noch einige Hürden zu nehmen sind. Der Abbau dieser Hemmnisse ist eine wesentliche Voraussetzung für eine spürbare Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen.

Wer unterstützt das Konzept?

Um diese Herausforderung konsequent und systematisch anzugehen, hat die Arbeitsgruppe „Frauen im Management“ schließlich dem Vorstand – unter Einbezug dieser Befunde sowie eigener Analyseergebnisse – ein Konzept zur „Karriereförderung für Frauen“ vorgelegt, das Ende 2006 verabschiedet wurde und seit 2007 in Projektform unter der Federführung des Personalbereichs bearbeitet wird.

  • Porträt von Thomas Barann

    Thomas Barann

    Gothaer Allgemeine Versicherung AG

    Leiter Abteilung Personal