VPV Lebensversicherungs-AG: Erfolg durch Cross-Mentoring

Interview mit Kinga Janisch, Leiterin Personalentwicklung und -marketing

Frau Janisch, was ist Ihre Zielsetzung, um den Anteil von Frauen in Führung zu steigern?

Uns geht es nicht generell darum, den Anteil der Frauen im Unternehmen zu steigern. Wenn wir unsere Zahlen anschauen, dann gibt es Bereiche, in denen wir sehr viele Frauen haben, z. B. bei den Gruppen- und Teamleitern im Kundenservice. Unser Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen. Wir wollen gemischte Führungsteams als Quelle für Innovation und haben dafür verschiedene Maßnahmen ergriffen.

Welche dieser Maßnahmen funktioniert schon besonders gut?

Dazu gehört auf jeden Fall unser Cross-Mentoring-Programm. Wir nehmen an einem unternehmens- und branchenübergreifenden Programm teil und sind seit drei Jahren im Verbund mit Unternehmen wie KPMG, Hewlett-Packard, Daimler Financial Service, SAP usw. Wir alle binden mit dem Programm aktiv unsere Vorstände ein. Jedes Unternehmen, das am Programm teilnimmt, darf nur so viele Teilnehmerinnen in dieses Programm entsenden, wie sich auch Vorstandsmitglieder daran aktiv beteiligen. Für uns heißt das konkret, dass drei unserer Vorstände als Mentoren aktiv sind und entsprechend dürfen wir auch drei Mentees in das Programm schicken. 2014 waren unternehmensübergreifend 27 Tandems aktiv.

Was ist denn das Besondere an diesem Programm?

Besonders spannend ist, dass es branchenübergreifend ist und damit manchmal ein regelrechter Kulturschock für die Teilnehmer. Aber das ist auch sehr befruchtend, denn man bekommt natürlich einen Einblick in ganz andere Unternehmenskulturen und in andere Produktwelten. Was für uns ganz wichtig ist, ist die Einbeziehung der Vorstände. Und zwar nicht nur in Form eines offiziellen Commitments, sondern tatsächlich durch die aktive Beteiligung. Die Vorstände bringen sich selbst ein und engagieren sich im Programm. Sie verstehen dadurch das Thema viel besser und lernen im Umgang mit ihren Mentees, wo in der Praxis besondere Barrieren für Frauen liegen.

Gibt es dieses Programm nur für Frauen?

Ja, das Programm richtet sich tatsächlich nur an Frauen. Allerdings nicht nur an Frauen, die Führungsverantwortung haben, sondern auch an Fachexpertinnen. Auch auf ganz verschiedenen Hierarchiestufen, denn die Mentees kommen aus allen Führungsebenen, von der Gruppenleitung bis hin zur Bereichsleiterin oder Bezirksdirektorin.

Es ist ja bemerkenswert, dass Vorstände sich dafür Zeit nehmen.

Genau und das ist auch der Anreiz. Das Programm ist sehr vielschichtig. Auf der einen Seite sind die Vorstände aktiv eingebunden und haben damit die entsprechende Nähe zu der Zielgruppe. So lernen sie auch besser ihre Probleme kennen und verstehen. Während des Mentoring-Programms gibt es sogenannte Tandemsitzungen zwischen Mentor und Mentee. Auf der anderen Seite sind Frauen aus verschiedenen Hierarchiestufen beteiligt und treffen sich auch untereinander. Somit entsteht auch ein Austausch von Frauen über die Branchengrenzen hinweg, durch den sie ihr eigenes Netzwerk erweitern können.

Wie oft treffen sich denn die Mentees und ihre Mentoren?

Zunächst gibt es eine Auftaktveranstaltung, bei der alle Paare zusammen kommen. Diese verknüpfen wir mit der Abschlussveranstaltung vom vorausgehenden Durchgang. Für diejenigen, die gerade fertig sind, gehört dazu auch ein Feedback, wie das Programm auf beiden Seiten gelaufen ist. Die Mentees, die den neuen Durchgang beginnen, bekommen im Anschluss an die Veranstaltung ein Training mit folgenden Fragestellungen: „Wie formuliere ich meine Ziele? Wie kann ich selbst wirken und wie möchte ich wirken in dem Programm?“ Das ist ein firmenübergreifendes Training, an dem die Frauen teilnehmen, um dann auch gegenüber den Mentoren vorbereitet zu sein. Die Vereinbarung ist, dass man einmal im Monat mindestens drei Stunden für eine Sitzung reserviert. Die Aufgabe der Mentees ist, den Termin zu organisieren und auch Themen einzubringen. Das geschieht in verschiedenen Formen: Manche schicken vorab schon Fragen oder Aufgaben, die sie gerne mit ihren Mentoren besprechen möchten, andere machen das spontan. Das ist eine individuelle Vereinbarung zwischen Mentee und Mentor. Vorgabe ist nur, dass sie mindestens drei Stunden im Monat zur Verfügung stehen, sowohl die Mentees als auch die Mentoren.

Die VPV Lebensversicherungs-AG nimmt jetzt seit drei Jahren an dem Programm teil. Können Sie schon erste Erfolge verbuchen?

Darüber diskutieren wir intern sehr viel. Ich komme aus dem Bereich Personalentwicklung und habe dafür plädiert, dass wir nicht nur zählen, wie viele Frauen in höhere Positionen aufgestiegen sind. Ich glaube, da werden wir der Sache nicht gerecht. Denn es gibt natürlich die vertikale Entwicklung, aber es gibt auch die horizontale Entwicklung. Das heißt, Kompetenzen erweitern, um bestimmte Aufgabenfelder zu übernehmen und auf diese Art und Weise Einfluss zu gewinnen. Wenn ich es vertikal betrachte, dann haben wir zwei Aufstiege von Frauen zu verbuchen. Wenn ich es horizontal betrachte, dann haben wir größere Fortschritte: Da haben Kolleginnen verantwortungsvolle Projekte übernommen oder sind eingebunden worden in strategische Maßnahmen und das ist für uns auch eine Messlatte für die Entwicklung.

Wird diese Entwicklung bei Ihnen auf allen Ebenen unterstützt?

Das ist genau der Dreh- und Angelpunkt. Oft binden Maßnahmen den Vorstand nur offiziell ein. Man stellt ihm die Programme vor und lädt ihn zu Auftaktveranstaltungen ein, aber es gibt keine aktive Teilnahme von den Führungskräften und von den Vorständen. Unsere Vorstände sind selbst eingebunden und dadurch lernen sie, wo es überhaupt Probleme gibt für Frauen – aus erster Hand.

Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Unternehmen, die am Cross-Mentoring beteiligt sind?

Die Veranstaltungen gehen reihum. Wir organisieren selbst eine Veranstaltung, dann sind wir Gäste bei Daimler Financial Service, dann sind wir Gäste bei Hewlett-Packard und so geht es reihum. Das stärkt auch das Commitment unter den Vorständen, denn sie treffen sich auch untereinander. Sie bekommen auch eine Einführung in das Mentoring-Programm und dann gibt es direkt Veranstaltungen nur für Mentoren, auf denen sie sich untereinander über das Programm und die aktuellen Themen austauschen. 

Beim Mentoring gibt es Lerneffekte in beide Richtungen. Nicht nur, dass Mentees von Mentoren lernen, sondern auch umgedreht, dass Mentoren – meist Männer – von Frauen hören, mit welchen Hindernissen oder Barrieren sie zu kämpfen haben.

Das erleben wir auch. Zum einen sensibilisieren wir sie und zum anderen werden sie direkt von ihren Mentees gefragt, wie diese mit einer Barriere umgehen können. Das hat unsere Position gestärkt. Wir haben am Anfang Schwierigkeiten gehabt, den Vorstand in dieses Thema einzubinden. Nachdem sie beim Mentoring-Programm selbst dabei sind, ist es kein Thema mehr. Wir haben sogar einen Paten. Unser Personalvorstand hat die Patenschaften für alle diese Programme übernommen. Er informiert sich regelmäßig und nimmt, wenn es möglich ist, an den Veranstaltungen teil. Er ist sehr präsent bei diesem Thema und gibt auch Ideen und Anstöße. Bei unserer letzten Veranstaltung hat er uns die Referentin empfohlen. 

Wie wird denn das Programm von den Männern im Unternehmen angenommen? Sind sie enttäuscht, dass sie nicht teilnehmen dürfen?

Ja und das wollten wir sogar so bezwecken. Im ersten Jahr haben wir das ganze Projekt in der Betriebsversammlung kommuniziert und haben verkündet, dass wir jetzt beim Cross-Mentoring-Programm einsteigen werden und dass unsere Vorstände sich auch dazu verpflichtet haben. Das wurde sehr positiv angenommen von der Belegschaft. Ein Jahr danach haben die männlichen Kollegen sich empört, warum es so ein Programm nicht auch für sie gibt. Und genau diesen Effekt wollten wir erzielen, indem wir die Kollegen neugierig gemacht haben. Da ist ein Thema mit größter Aufmerksamkeit der Vorstände – da sieht man schon einmal genauer hin. Wir haben auch die Zahlen präsentiert und die unterproportionale Beteiligung der Frauen in der Führung deutlich gemacht. Sie sind unterrepräsentiert auf der Ebene der Bereichsleiter und der Abteilungsleiter, denn nur auf der Ebene der Gruppenleiter haben wir ein ausgewogenes Verhältnis. Und aus dem Grund gibt es diese Maßnahmen für die Frauen, die im Rahmen der Personalentwicklungsmaßnahmen gezielt qualifiziert und gestärkt werden, um mehr Einfluss auszuüben.

Sie haben auf diese Art und Weise also Interesse für das Thema geweckt und um Verständnis geworben?

Genau. Die Kollegen haben sich auch für die weiteren Veranstaltungen und Vortragsreihen, die wir im Rahmen des Frauen-Netzwerkes gemeinsam mit den anderen Unternehmen gestalten, interessiert und deshalb haben wir eine neue Trainings-Reihe aufgesetzt. Wir nennen diese „Vielfalt konstruktiv nutzen“. Und das ist die erste gemeinsame modular aufgebaute Trainingsreihe für Frauen und Männer in Führungspositionen, die Interesse daran haben, das Thema Vielfalt zu vertiefen. Das ist eine Trainingsreihe und Workshop in einem. Es sind mehrere Module, die sich über zwei Jahre erstrecken werden, in denen wir das Thema „Vielfalt“ von verschiedenen Perspektiven betrachten. Wir haben damit versucht, das Thema weiter zu öffnen. Es geht in der Reihe also nicht nur um Gender Diversity, sondern auch um die Vielfalt darüber hinaus. Es gibt bei uns ausländische Mitarbeiter und deutsche Mitarbeiter. Es gibt ältere Mitarbeiter und junge Mitarbeiter. Wie gut gelingt es uns heute, die Vielfalt zu leben und was können wir als Unternehmen dafür aktiv tun? In den Bereichen, wo die Teilnehmer tätig sind, sehen wir erste Früchte und Aktionen, um diese Vielfalt leben zu können. Wir haben mit vielen Netzwerken gesprochen, dass es oft in der Praxis vielen nicht gelingt, aus der Gender Diversity-Ecke herauszukommen und männliche Vertreter für dieses Thema zu gewinnen. Wir haben es geschafft!

Also haben Sie ein ergänzendes Programm gestartet?

Richtig, denn wir wollen weg von diesem Thema „Frauen gegen Männer“ oder „Männer gegen Frauen“. Wir wollen vermitteln, wie wir alle von der Vielfalt profitieren können. Ja, es gibt Unterschiede. Aber was ist das Spannende daran, der Nutzen, wie können wir von der Vielfalt profitieren und das konkret umsetzen? Wir haben da Widerstände, das merkt man auch an den Teilnehmerzahlen. Bei der letzten Veranstaltung waren nur drei Männer anwesend. Aber zuvor gab es großen Aufstand, dass wir zu viel für die Frauen tun. Dann haben wir es geöffnet und es kommen nur drei Männer. Und auch diese drei haben uns erzählt, dass sie ganz skeptisch angeschaut worden sind von ihren Kollegen. Also das ist eine Maßnahme, die zeigt, wie viel Widerstände man hat. Aber wir lassen uns nicht entmutigen und machen weiter. Die erste Veranstaltung fand dieses Jahr im März und Juli statt und wird nächstes Jahr fortgesetzt.

  • Porträt von Kinga Janisch

    Kinga Janisch

    VPV Lebensversicherungs-AG

    Leiterin Personalentwicklung und -marketing