Zielvereinbarung als Unterstützung zur Kulturveränderung

Interview mit Katrin Schuler, Fachexpertin Konzern Personalentwicklung

Frau Schuler, wie ist das Thema Frauenförderung bei Ihnen im Unternehmen angestoßen worden?

Der Anstoß kam von unserem Vorstandsvorsitzenden. Der stellte 2010 die Frage: „Was tun wir denn für die Weiterentwicklung von Frauen?“ Daraufhin kam dann der Auftrag, dass wir uns verstärkt um das Thema Frauen in Führungspositionen kümmern müssen. Wir haben zunächst ein Ideenpapier erstellt und auf dieser Basis wurde dann ein Projektteam gegründet. Dazu gehörten Teilnehmer aus den einzelnen Unternehmen unseres Konzerns – Männer und Frauen verschiedener Hierarchie-Ebenen – und dieses Team hat schließlich ein Maßnahmenpaket ausgearbeitet.

Was beinhaltet das Maßnahmenpaket?

Zusammenfassend könnte man sagen, wir haben drei Ansatzpunkte: Die Führungskräfte, die Frauen selbst und die Rahmenbedingungen.

Bleiben wir einmal beim ersten Punkt, den Führungskräften. Welche Maßnahme können Sie hier besonders herausgreifen?

Die Führungskräfte müssen lernen, auch ihre weiblichen Mitarbeiter adäquat wahrzunehmen, deren Talent zu erkennen und sie dementsprechend für die Führungslaufbahn zu nominieren. Wir wollen mehr Bewusstsein schaffen für das Karrierepotenzial, das der weibliche Teil der Belegschaft mitbringt, um zu erreichen, dass Frauen in Führungspositionen gelangen. Dafür wurde die Frauenförderung in den Zielvereinbarungen aller Vorstände und Abteilungsleiter verankert. Wir haben außerdem schon seit 2011 die sogenannte Shortlist-Vorgabe. Das heißt, dass bei der Besetzung einer Führungsposition mindestens eine Frau unter den Top-3-Kandidaten sein muss. Die Short-List-Vorgabe haben wir in diesem Jahr weiter verschärft, indem die Führungskräfte die Ablehnung der Top-3-Bewerberin nun schriftlich begründen müssen.

Können Sie diese Zielvereinbarung noch etwas genauer beschreiben?

Wir haben im Konzerninnendienst das Ziel, bis Ende 2015 30 Prozent Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Und durch die Zielvereinbarung hängt ein Teil der Prämie von Führungskräften und Vorständen eben auch von diesem Ziel ab. Das Ziel haben wir rein qualitativ formuliert und in den Rahmen der Nachwuchsförderung gesetzt. Zuerst waren wir im Projektteam etwas enttäuscht, dass wir nicht quantitative Ziele durchgebracht hatten – wir wollten für jedes Unternehmen des Konzerns eine eigene Zielquote, jeweils abhängig vom Anteil der Frauen in der Belegschaft und der derzeitigen Ist-Quote von Frauen in Führungspositionen. Aber man glaubt gar nicht, welche deutliche Wirkung selbst die qualitative Verankerung in den Zielvereinbarungen hatte.

Welche Wirkung konnten Sie beobachten?

Fakt ist: Was in der Zielvereinbarung steht, das kommt auch bei den Führungskräften an. Es hat dazu geführt, dass wir im vergangenen Jahr deutlich mehr Frauen unter den Nominierungen für Führungspositionen hatten. Das heißt, unsere Führungskräfte ziehen jetzt häufiger Frauen in Betracht für eine Zukunft in einer Führungsposition. Nicht alle sehen dies nur positiv, aber ich denke, dass auch eine kritische Diskussion hier sehr wertvoll ist. Denn sie führt zu Aufmerksamkeit und dazu, dass das Thema präsent ist. Wir haben insbesondere im ersten Jahr viele Gespräche mit Führungskräften dazu geführt. Mittlerweile wird das In-Betracht-Ziehen von Frauen für Führungsjobs – und das sehen wir positiv – eher zur Routine.

Das heißt also, es gibt Frauen für Führungspositionen und man hat vorher nur nicht genau genug hingesehen. Hat sich das durch die Zielvereinbarung geändert, dass man genauer hinschaut?

Auf jeden Fall, auch dass man hartnäckiger dran bleibt. Und ganz wichtig ist auch, dass man den Frauen damit Mut macht, diesen Weg zu gehen. Dass man ihnen Sicherheit gibt, dass sie die Führungsrolle ausfüllen können und dass das Unternehmen das auch will. Von Männern hört man eher mal, dass sie sagen „Was ich nicht kann, werde ich schon lernen.“

Für wen gilt die Zielvereinbarung?

Alle Vorstände und alle Abteilungsleiter haben das gleiche Ziel der Frauenförderung in ihrer Zielvereinbarung. Das ist schon ein Riesenerfolg und man hat auch sehr gezweifelt vorher, ob sich diese Vereinbarung einführen lässt. Aber wir haben es tatsächlich geschafft und wir sind auch in der Versicherungswirtschaft – soweit ich weiß – die Einzigen, die das so haben.

Wer hatte denn die Idee dazu?

Das Projektteam hatte die Idee. Und es war sehr hilfreich, dass wir auch Führungskräfte aus anderen Bereichen und Unternehmen des Konzerns im Projektteam hatten, die sich für das Thema aktiv eingesetzt und das dann auch konzernweit mit vertreten haben. Wenn wir nur aus Vertretern des Personalwesens bestanden hätten, glaube ich nicht, dass wir so erfolgreich gewesen wären.

Haben Sie auch die Unterstützung von ganz oben?

Auf jeden Fall. Insbesondere unser Vorstandsvorsitzender steht sehr hinter dem Thema und ohne seine Unterstützung wäre das so auch sicherlich nicht möglich. Auch die anderen Vorstandsmitglieder konnten wir immer wieder gewinnen, zum Beispiel für Veranstaltungen. Sie unterstützen unsere Arbeit regelmäßig. Die Maßnahmen werden im Übrigen auch finanziell unterstützt, der Vorstand hat ein Budget dafür freigegeben. Wir haben auch viel konzernintern mit Hilfe der Vorstände kommuniziert, zum Beispiel in unserer Mitarbeiterzeitschrift in einem Interview mit unserem Personalvorstand.

Erreichen Sie die Ziele, die Sie sich vorgenommen haben?

Um die 30-Prozent-Quote bis Ende 2015 tatsächlich zu erreichen, müssen wir noch zulegen. Denn dafür müsste eigentlich jede zweite freiwerdende Führungsposition mit einer Frau besetzt werden. Im Moment schaffen wir das noch nicht. Auch zur Einhaltung der Shortlist-Vorgabe fehlen uns vielfach noch die Bewerberinnen – sowohl intern als auch extern. Deshalb erfüllen wir im Moment auch teilweise die Shortlist-Vorgabe noch nicht. Die Zielvereinbarung allein reicht eben nicht aus, es müssen noch andere Maßnahmen geschaffen werden, so wie wir es dann auch getan haben. Wir bieten zum Beispiel Karriereberatung für Frauen an, bei denen die Führungskräfte Potenzial sehen, die aber selbst zweifeln, ob sie der Aufgabe gewachsen sind. Wir haben ein Frauennetzwerk gegründet, das Abteilungsleiter gewinnen konnte, an einem Hospitanzprogramm für führungsinteressierte Frauen als Mentoren mitzuwirken. Hier können Frauen in den Führungsalltag in einer anderen Abteilung reinschnuppern und sich vielleicht auch selbst mal in der Übernahme einer Führungsaufgabe ausprobieren. Und schließlich überlegen wir, in Zukunft verstärkt die Themen „Führen in reduzierter Vollzeit“ und „Lebensphasenorientiertes Arbeiten“ anzugehen, da das Thema Vereinbarkeit von Privatem und Beruf insbesondere für Frauen ein ganz wichtiger Faktor für die eigenen Karriereüberlegungen ist.

Gibt es auch Widerstände gegen die Zielvorgaben?

Wir müssen jetzt aufpassen, dass keine Übersättigung in der Kommunikation eintritt. Außerdem gibt es Ängste, dass Männer bei der W&W keine Chance mehr haben, in eine Führungsposition zu kommen. Was natürlich nicht der Fall ist. Aber wir müssen das ernst nehmen, denn teilweise bekommen wir auch E-Mails im Personalbereich, in denen Männer fragen „Ich finde das ja gut, dass wir uns für Diversity einsetzen, aber welche Chancen habe ich als Mann eigentlich noch?“ Dann gibt es auch Widerstand von jungen Frauen, die hoch motiviert und engagiert sind, die aber nicht in diesen „Quoten-Topf“ gesteckt werden wollen. Die sagen „Ich leiste viel und das wird schon von alleine gesehen. Ich brauche keine Frauenförderung.“

Wie begegnen sie dem?

Die Männer, die Angst um ihre Zukunft haben, können wir beruhigen. Wir haben im ersten Halbjahr 2013 circa 38 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt und das bedeutet ja, dass wir immer noch einen großen Anteil an Männern in Führungsposition bringen. Außerdem wollen wir ja mit unserem Bemühen auch Bedingungen im Unternehmen schaffen, von denen Frauen und Männer gleichermaßen profitieren. Denn wir merken auch immer häufiger bei Männern, dass die gar kein Interesse haben, sich nur dem Job zu widmen. Auch sie wollen wir stärker motivieren, eine Führungslaufbahn anzustreben, indem wir Vorbilder vorstellen, die zum Beispiel in reduzierter Vollzeit führen. Dann haben alle Männer künftig auch weniger mit Vorbehalten zu kämpfen.

Ist die Zielvereinbarung ein Erfolgsmodell?

Wie gesagt: Ich denke, wenn wir nur die Zielvereinbarung hätten, würde das nicht ausreichen. Auch bei der W&W soll keine Frau nur wegen der Zielquote in eine Führungsposition kommen – und das wird sie auch nicht, denn die gleichen Auswahlkriterien, die für die männlichen Bewerber gelten, gelten natürlich auch für die weiblichen. Die anderen Maßnahmen unserer Gender-Diversity-Initiative sind auf jeden Fall notwendig. Auch das Thema Kulturveränderung ist sehr wichtig, eine Veränderung in den Köpfen, den Einstellungen und letztlich dem Handeln jedes Einzelnen. Die Zielvereinbarung ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Element, aber kann nicht für sich alleine stehen. Aber ohne Zielvereinbarung wäre die 30-Prozent-Quote weniger verbindlich und damit weniger durchsetzungsfähig.

  • Porträt von Katrin Schuler

    Katrin Schuler

    Wüstenrot & Württembergische AG

    Fachexpertin Konzern Personalentwicklung