1. AGV-Gesundheitsforum

Neues Format des Erfahrungsaustauschs

Auf vielfachen Wunsch, sich innerhalb der Branche zu operativen und strategischen Aspekten des Gesundheitsmanagements strukturiert auszutauschen, fand am 28. April 2016 das erste „AGV-Gesundheitsforum“ bei der Versicherungskammer Bayern (VKB) in München statt. Die Impuls- und Praxisvorträge wurden vertiefend in einem „World-Cafe“ intensiv diskutiert. Die Experten und Projektmanager des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sowie die Personalleiter und -referenten setzten sich unter der Leitung von Dr. Michael Gold, Geschäftsführer des AGV, über Erfahrungen mit Mitarbeiterbefragungen, Change und Betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM) auseinander.

Bank macht NICHT krank!

Seit 2010 führt das private Bankengewerbe mithilfe eines externen Meinungsforschungsinstituts jährlich repräsentative Beschäftigtenbefragungen zu gesundheitsrelevanten Themen durch. Über die Ergebnisse dieser Befragungen informierte Carsten Rogge-Strang, Geschäftsführer Tarifpolitik des AGV Banken, und stellte klar: Die Aussage „Arbeit macht krank“ ist nicht haltbar. Vielmehr stützten die Daten die Expertensicht, dass die zunehmende Diagnosehäufigkeit vielfältige Ursachen hat und Arbeit nicht der Haupttreiber für steigende Fehltage ist. So sinke der Anteil der Beschäftigten, die sich (insgesamt und psychisch) schlecht fühlen, in der Bankenbranche. Vielmehr fühlten sie sich neuen Aufgaben und Druck heute besser gewachsen als vor einigen Jahren.

Hiscoxism: „Stick your head above the parapet“

Über den Zusammenhang von Gesundheit und Führung berichtete Wilma van Dijk, Personalleiterin von Hiscox. „Was hat Wolf, was Markus nicht hat“? In einem Workshop diskutierte das Managementteam diese sehr konkrete Frage nach den individuellen Bedürfnissen zweier Teammitglieder und näherte sich mithilfe des sog. bio-psychosozialen Modells der Definition von Gesundheit an. Ziel war es herauszufinden, welche Verantwortung das Management für die Gesundheit der Mitarbeiter hat. Die Diskussionen zeigten, dass insbesondere eine konsequent gelebte Unternehmenskultur entscheidend ist, denn das Team sei wichtigster Erfolgsfaktor – insbesondere in Zeiten des Unternehmenswachstums. Das Interesse an den Kollegen, ethische Geschäftspraktiken und die Aufmerksamkeit für jeden, seien daher wichtig für die psychische Gesundheit der Mitarbeiter im Unternehmen.

„BGM ist nicht gleich Veggieday“

Die nachhaltige Sicherstellung von Unternehmenszielen ist nur durch die gezielte Entwicklung und das „Management“ aller relevanten Betrachtungsfelder der Organisationsentwicklung möglich. Dies gilt insbesondere für das „Management“ der betrieblichen Gesundheit, so Michael Lessel, Leiter betriebliches Konzern-Gesundheitsmanagement der VKB. Entscheidend für ein systematisches Management seien die richtigen Analyse-Instrumente. Für die VKB bedeute dies insbesondere den Aufbau und Einsatz ganzheitlicher Analyse-Werkzeuge und eine integrierte Organisationsentwicklungssicht. Die VKB-Fehlzeitenstruktur- und Zusammenhangsanalyse habe wesentliche Bezüge aufgedeckt. Nun gelte es, entsprechende Maßnahmenpakete auf den Weg zu bringen.

BGM-Modellprojekt: Vom Stressblitz und Gesundheitsindex

Marco Burnus, Gesundheitswissenschaftler der Gothaer, berichtete vom ganzheitlichen Change-Projekt des Hauses, das als Konsequenz aus den Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung initiiert wurde. Neben der Befragung brachten Gesundheits-Check-ups und Mitarbeiterworkshops Informationen für Handlungsfelder zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit. Allein aus den Workshops resultierten 260 Verbesserungsvorschläge, die in fünf Handlungsfelder geclustert wurden. So entstanden u.a. das zweistufige Zugangskonzept zum Mitarbeiter im Stressmanagement, der sog. Stress-Blitz und das Stress-Coaching. Dieses Konzept dient der Direktansprache am Arbeitsplatz, um für das Thema Stress zu sensibilisieren und bei Bedarf ein intensiveres Coaching durchzuführen. Als Evaluationsinstrument hat das Unternehmen einen Gesundheitsindex entwickelt, um den organisationalen Gesundheitswert zu erfassen.

BEM-Prozess extern begleitet: „Nur positives Feedback“

Über die Neustrukturierung des BEM-Prozesses bei der ARAG informierte Hagen Baumgardt, Fachreferent Personalentwicklung. Bewusst entschied man sich für das Outsourcing an einen neuen externen Partner, um für die Mitarbeiter einen Rollenkonflikt als HR-Manager und Ansprechpartner zu vermeiden und den BEM-Prozess und die BEM-Beratung zu professionalisieren. Ziel ist es, einen besseren Umgang mit sensiblen Themen und eine stärkere Annahme des Angebots zu erreichen. Die Ansprache der betroffenen Mitarbeiter erfolgt über ein internes Koordinationsteam. Bei Einverständnis der Betroffenen nimmt der Dienstleister Kontakt auf und führt ein Informationsgespräch zu den Möglichkeiten eines BEM. Die Gespräche finden mit den Betroffenen, dem Dienstleister und, auf Wunsch des Mitarbeiters, mit weiteren Personen statt. Zusammen mit den Betroffenen entwickelt der BEM-Berater einen individuellen Maßnahmenplan.

Die Ergebnisse der drei World-Café-Stationen:

  • Station 1:
    Viele Versicherer nutzen externe Mitarbeiterbefragungen, um gesundheitsrelevante Aspekte wie die Arbeitszufriedenheit, das Mitarbeiter-Commitment oder Fragen zur Führung analysieren zu lassen. Diese finden einmal jährlich oder seltener statt. Daneben werden auch Fehlzeitenanalysen und Informationen aus Workshops, Gesundheits-Check-ups der Krankenkassen oder der Gefährdungsbeurteilung als Analyse-Werkszeuge zur Förderung der Gesundheit herangezogen. Zu beachten ist, dass eine klare Differenzierung der Mitarbeiterbefragung von der Gefährdungsbeurteilung allein vor dem Hintergrund der Mitbestimmungspflichten sinnvoll erscheint. Als ein hilfreiches Instrument sahen die Teilnehmer zudem die branchenweite Mitarbeiterbefragung des privaten Bankengewerbes an und diskutierten den Mehrwert einer solchen Befragung für die Versicherungswirtschaft sowohl als Benchmark für die Branche als auch als zusätzliche Informationsquelle zu den vergleichsweise selten stattfindenden Mitarbeiterbefragungen.
  • Station 2:
    Das Thema Gesundheit kann nur dann effektiv „betrieben“ werden, wenn dasselbe auch fest innerhalb der Unternehmensstrategie verankert ist. Zwar haben Unternehmen sehr häufig ein Portfolio an Maßnahmen zu bieten, das sich mit der Gesundheit der Belegschaft auseinandersetzt, am Ende fehlen aber übergeordnete Ziele. Die Treiber für das Implementieren eines funktionierenden BGM sollen da sein, aber es mangelt an „Sponsoren“. Gerade im Rahmen komplexer Restrukturierungsprozesse bleibt die „Gesundheit“ nicht selten außen vor. Als hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang verbindliche Schulungen für Führungskräfte zum Thema „Change“ erwiesen, denn Führungskräfte nehmen eine Schlüsselrolle wahr, wenn es um die Umsetzung der Gesundheitsstrategie geht. Genau sie müssen daher durch z. B. Seminare/Workshops „Gesundheitskompetenzen“ erlangen.
  • Station 3:
    Ein erfolgreiches BEM steht und fällt mit dem Vertrauen der Mitarbeiter in ein „sauberes“ Verfahren. Vorrangige Zielsetzung ist hierbei eine gewinnbringende Wiedereingliederung und nicht das „abarbeiten“ gesetzlicher Verpflichtungen. Dabei variiert die Zusammensetzung der „Integrationsteams“ stark: Einerseits wird versucht, Führungskräfte und Betriebsrat mit ins „Boot“ zu holen, andererseits finden „eins zu eins Gespräche“ statt. Wesentliches Element für eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist aber der Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbeiter während den Krankheitszeiten. Insgesamt sind sich die Teilnehmer einig, dass ein gut strukturiertes und organisiertes BEM-Verfahren dazu beiträgt, einen Vertrauensgewinn in der Belegschaft zu erzielen.