TN 01/2017, 31.03.2017

Tarifverhandlungen Innendienst 2017 / 2018 / 2019

Am 30. März 2017 fand in Düsseldorf die erste Runde der Tarifverhandlungen für die rund 170.000 Innendienst-Angestellten unserer Branche (einschließlich der Auszubildenden) statt.

Die Verhandlungskommission des Arbeitgeberverbandes wurde von Dr. Andreas Eurich, Vorsitzender des AGV und Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherungen, geleitet. Verhandelt wurde mit den Gewerkschaften ver.di, DHV und DBV.

Im Mittelpunkt der ersten Verhandlungsrunde stand ein Meinungsaustausch über die volkswirtschaftlichen Rahmendaten und die Entwicklung der einzelnen Sparten der Versicherungswirtschaft. Auf die aktuelle volkswirtschaftliche Lage in Deutschland ging für den AGV Professor Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, ein.

Er stellte heraus, dass die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen seit den letzten Tarifverhandlungen 2015 nochmals gesunken seien. Gestiegen sei dagegen die Inflationserwartung auf aktuell über 1,5 Prozent.

Vergleiche man die Gehälter der Versicherungsangestellten mit den in anderen Branchen gezahlten Löhnen, könne man keinen Nachholbedarf für die Versicherungswirtschaft erkennen. Generell gelte: Eine Zurückhaltung bei den Reallöhnen schaffe bzw. sichere Arbeitsplätze.

Der Chefökonom der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Dr. Dierk Hirschel, lobte den sehr stabilen privaten Konsum in Deutschland. Er erfordere starke Lohnzuwächse. Die gute wirtschaftliche Entwicklung werde von der Binnennachfrage getragen.

Den „verteilungsneutralen Spielraum“ bezifferte Hirschel auf 3,4 Prozent für die Gesamtwirtschaft, zusammengesetzt aus 2,0 Prozent Zielinflationsrate der EZB und 1,4 Prozent Trendproduktivität. Hinzu komme eine Umverteilungskomponente, weil die Unternehmer- und Vermögenseinkommen in den letzten 15 Jahren stärker als die Arbeitnehmerentgelte gestiegen seien.

Das Niedrigzinsumfeld ist für den ver.di-Chefökonom „kein Grund zur Bescheidenheit“, da es geschäftspolitische Handlungsspielräume gebe und sowohl die Prämien insgesamt als auch die Zahl der abgeschlossenen Versicherungsverträge weiter steigen würden.

AGV-Geschäftsführer Dr. Michael Gold bezeichnete diese Sichtweise als „zu positiv“. Zwar sei das Prämienaufkommen – ohne Einmalbeiträge – im letzten Jahr um 1,2 Prozent gewachsen, aber die Lebensversicherung stagniere und in der PKV sei die Zahl der Vollversicherten im fünften Jahr in Folge gesunken. Die Niedrigzinsen würden das Geschäftsmodell der Versicherer massiv belasten, Regulatorik und Digitalisierung erforderten erhebliche Investitionen, auch um die heutigen Bestände zu sichern.

EZB-Zielinflationsrate und Trendproduktivität seien für den AGV bei Tarifverhandlungen keine relevanten Größen, betonte Arbeitgeber-Verhandlungsführer Dr. Andreas Eurich. Man dürfe ausschließlich auf die eigene Branche schauen. Und da sei beispielsweise die Erfüllung der eingegangenen Zinsverpflichtungen ein wichtiger Parameter.

ver.di-Verhandlungsführer Christoph Meister begründete die Forderungen seiner Gewerkschaft: Erhöhung der Tarifgehälter um 4,5 Prozent (bei den Tarifverhandlungen 2015 war die Forderung 5,5 Prozent) plus 50 Euro mehr für die Auszubildenden (2015: 60 Euro) bei einer Laufzeit des neuen Tarifvertrages von 12 Monaten. Versicherungsangestellte, die Mitglied bei ver.di sind, sollen einen zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten Beitrag von 80 Euro monatlich für die betriebliche Altersversorgung erhalten.

Besonders wichtig ist Meister der Abschluss eines „Zukunftstarifvertrages Digitalisierung“ mit „Spielregeln und Leitplanken“ für den „digitalen Umbau“ der Branche. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte ver.di dem AGV nur Überschriften mitgeteilt, indem in einem Schreiben vom 22.02.2017 formuliert wurde:

„Konkret wollen wir in der kommenden Tarifrunde Regelungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Weiterbildung und Qualifizierung und zu mobilem Arbeiten vereinbaren. Unsere konkreten Vorschläge werden wir in die Verhandlungen einbringen und dann auch näher erläutern.“

Meister konkretisierte diese Vorstellungen in der Verhandlung und teilte mit, dass man sich insoweit Folgendes vorstellt:

  • Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen bis 31. Dezember 2020
  • Kollektive Arbeitszeitverkürzung bei geplanten Stellenabbaumaßnahmen mit Teillohnausgleich
  • Individueller Rechtsanspruch auf Umwandlung der Sonderzahlungen in Freizeit
  • Rechtsanspruch auf Altersteilzeit in Unternehmen, die einen Personalabbau planen
  • Abgeltung von Mehrarbeitszuschlägen grundsätzlich in Freizeit
  • Rechtsanspruch auf „Arbeitszeit nach Wahl“ in einem Rahmen zwischen 19 und 38 Stunden
  • Einrichtung eines gemeinsamen „Qualifizierungsfonds“ für berufliche Bildungsmaßnahmen bei Finanzierung durch Arbeitgeberbeiträge
  • Bezahlter Qualifizierungsanspruch von 10 Arbeitstagen pro Jahr
  • Regelungen zum mobilen Arbeiten und zur Telearbeit

ver.di kündigte an, dem AGV einen Tarifvertragstext zu diesen Themen vor der zweiten Tarifrunde zur Verfügung zu stellen. Der AGV-Vorstand teilte mit, dass er sich zu diesen Forderungen nach Kenntnisnahme des Textes im Rahmen der zweiten Tarifrunde äußern werde.

In der Diskussion warben mehrere Mitglieder der AGV-Verhandlungskommission für einen moderaten Tarifabschluss. Ihr Hauptargument: Schon heute haben die Innendienst-Angestellten 1,5 Prozent mehr Gehalt als im Jahr 2016 „in der Tasche“, weil die letzte lineare Erhöhung aus dem Tarifabschluss von 2015 erst im Oktober 2016 erfolgt sei und stattliche 2,1 Prozent betragen habe. Von großer Bedeutung sei auch die weggebrochene Zinsmarge: Beiträge, die die Kunden der deutschen Lebensversicherung aktuell einbezahlen, müssen mit durchschnittlich 2,8 Prozent (Garantiezins) verzinst werden, obwohl diese Beiträge heute am Kapitalmarkt nur noch zu einem Zins von etwa 1,6 Prozent angelegt werden können. Das setze die Verwaltungskosten unter Druck. Diese müssten sinken, wie auch der Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), Dr. Frank Grund, den Versicherern erst vor wenigen Tagen ins Pflichtenheft geschrieben habe.

Entsprechend argumentierte der AGV auch gegenüber DHV und DBV.

Die Verhandlungen werden am 5. Mai in Düsseldorf fortgesetzt.

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