Gemeinsame Erklärung von ver.di und AGV zum Thema Demografie

Gemeinsame Erklärung von ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) zum Thema Demografie

Präambel

Angesichts der älter werdenden und dabei zahlenmäßig abnehmenden Bevölkerung sieht sich die deutsche Wirtschaft mit noch nie dagewesenen Herausforderungen für die demografische Zukunft konfrontiert. Die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ziehen sich langsam aus dem Arbeitsmarkt zurück und diese Entwicklung wird sich im nächsten Jahrzehnt noch verstärken.

Gleichzeitig schrumpft infolge geringer Geburtenzahlen die auf den Arbeitsmarkt strömende jüngere Generation dramatisch und wird den wachsenden Anteil der ausscheidenden Pensionäre und Rentner nicht ausgleichen können.

Die Herausforderungen der demografischen Entwicklung werden auch die Versicherungswirtschaft als Arbeitgeber nicht unberührt lassen. Das Durchschnittsalter von Arbeitnehmern im Versicherungssektor ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen. Die Bewältigung der Folgen einer alternden Arbeitnehmerschaft stellt eine Herausforderung dar. Zum einen muss sichergestellt werden, dass erfahrene und motivierte ältere Arbeitnehmer bis zum Eintritt in die Rente motiviert und leistungsfähig arbeiten. Dazu gehört eine nachhaltige und zukunftsorientierte Unternehmenspolitik.

Zum anderen muss der Sektor für junge Talente attraktiv gemacht werden, da sie für eine nachhaltige, qualifizierte und vielfältige Belegschaft gebraucht werden.

Neben den jungen Talenten ist es ebenso notwendig, Frauen besonders zu fördern und zu qualifizieren, damit in Zukunft dem Diversity-Ansatz noch stärker Rechnung getragen wird.

Die Unternehmen der deutschen Versicherungswirtschaft haben bereits eine Vielzahl von Maßnahmen im Bereich Life-Balance, Gesundheitsschutz und Qualifizierung implementiert, um dem demographischen Wandel zu begegnen. Ziel dieser gemeinsamen Erklärung ist es, die Versicherungsunternehmen für das Thema des demografischen Wandels zu sensibilisieren sowie noch bestehende Verbesserungsmöglichkeiten zu nutzen.

Erklärung

Die Tarifparteien in der deutschen Versicherungswirtschaft sind sich über die zentrale Bedeutung der folgenden Punkte für Work-Life-Balance, Gesundheitsschutz und Qualifizierung einig:

  • Die Tarifparteien fördern die Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Arbeits- und Privatleben. Neben flexiblen und attraktiven Beschäftigungsmodellen, die mit effizienten und effektiven betrieblichen Abläufen im Einklang stehen, gehören hierunter auch Angebote, die den Bedürfnissen der Familien gerecht werden, wie z.B. Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderbetreuung sowie zur Unterstützung bei Pflegefällen in der Familie.

  • Die Tarifparteien fordern alle Unternehmen in der Versicherungswirtschaft auf, vielfältige Beschäftigungsmodelle anzubieten. Damit geschlechtsunabhängig jeder erwerbstätig werden oder nach einer Auszeit wieder in aktive und attraktive Beschäftigung zurückkehren kann, sind Methoden wie flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeitsprogramme, Sabbaticals, Wiedereingliederungsmaßnahmen, die Schaffung von Heimarbeitsplätzen und technologiegestütztes flexibles Arbeiten (wie z.B. Telearbeit) sinnvolle Werkzeuge. Dazu gehören z.B. auch flexible Arbeitszeitmodelle, befristete Teilzeitarbeit mit Rückkehrrecht auf Vollzeit, Bedingungen, die den Beschäftigten altern- und altersgerechtes Arbeiten ermöglichen sowie ein gleitender Übergang in den Ruhestand. Ziel ist es, nachhaltige zukunftssichere Beschäftigung in der Versicherungsbranche zu schaffen.

  • Nach Ansicht der Tarifparteien ist lebenslanges Lernen ein Hauptfaktor für langfristige Beschäftigungsfähigkeit. Zwingende Voraussetzung für erfolgreiche Maßnahmen in diesem Bereich ist eine Weiterbildungsbereitschaft der Arbeitnehmer/innen und hierbei insbesondere der älteren Beschäftigten. Von lebenslangem Lernen profitieren Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber. Die Investition in Aus- und Weiterbildung ist daher eine gemeinsame Verantwortung aller Parteien.

  • Jede/r Arbeitnehmer/in erhält die Möglichkeit, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, die für die Erbringung seiner/ihrer jeweiligen und ggf. künftigen höher qualifizierten Aufgaben notwendig sind. Dazu gehören die ständige Fortentwicklung der fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenz des/der Arbeitnehmers/in im Rahmen des jeweiligen Aufgabengebietes (Erhaltungsqualifizierung), die veränderten Anforderungen im jeweiligen Aufgabengebiet erfüllen zu können (Anpassungsqualifizierung) und eine andere gleichwertige oder höherwertige Arbeitsaufgabe für zu besetzende Arbeitsplätze übernehmen zu können (Aufstiegsqualifizierung). Arbeitnehmer/innen sollten dazu ermutigt werden, an Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen und Verantwortung für die eigene Karriere zu übernehmen.

  • Der anstehende Generationenwechsel in der Branche ist nachhaltig und aktiv zu gestalten. Die Versicherungsbranche verfügt über eine gute Ausbildungsquote und ist bemüht, diese weiter zu erhöhen. Die Übernahme qualifizierter Ausgebildeter ist im besonderen Interesse der Versicherungsbranche. Die Nachwuchsförderung ist wesentlicher Bestandteil der demografischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen haben eine gemeinsame Verantwortung für die Schaffung einer gesunden Arbeitsumgebung mit Arbeitsbedingungen, die einem erfüllten Arbeitsleben zuträglich sind und die die physische wie mentale Gesundheit der Belegschaft stützen. Die Tarifvertragsparteien sind davon überzeugt, dass durch gezielte Maßnahmen bei der Gestaltung des Arbeitsumfeldes (Verhältnisprävention) sowie durch entsprechendes Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter, welches eine gesunde private Lebensführung voraussetzt (Verhaltensprävention) dieses Ziel erreicht werden kann.

  • Die Tarifparteien unterstützen die sektorübergreifende Rahmenvereinbarung zu arbeitsbezogenem Stress von 2004 und fordern Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen im Versicherungssektor auf, die Ursachen von leistungsabträglichem, arbeitsbedingtem Stress zu identifizieren und positiv einzugreifen, um solchen Stress nach Möglichkeit zu vermeiden, zu reduzieren oder auszuschalten.

  • Um die Nachhaltigkeit dieser gemeinsamen Erklärung zu gewährleisten, werden sich die Tarifvertragsparteien regelmäßig zu einem Gespräch treffen. Hier wird erläutert, wie diese Erklärung in den einzelnen Unternehmen in welchen Schritten angewandt und welche Maßnahmen umgesetzt wurden. Gute Beispiele werden veröffentlicht, damit die Branche voneinander lernen kann.

 

Wuppertal, den 28. November 2014
Dr. Josef Beutelmann

München, den 28. November 2014
Dr. Michael Niebler

Berlin, den 28. November 2014
Christoph Meister