Überblick

Ausbildungsfragen im Kontext der COVID-19-Krise

Arbeitgeberverbände diskutieren über die Verschiebung von Prüfungen, Alternativen zur Kündigung, Kurzarbeit und den Ausfall von Berufsschulunterricht.

Am 27. März 2020 diskutierten rund 50 Mitgliedern des Arbeitskreises (AK) Berufsbildung und des AK Landesvereinigungen Bildungspolitik der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Rahmen eines Webinars zu Ausbildungsfragen im Kontext der COVID-19-Krise.

Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassen:

Prüfungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gab bekannt, dass die Industrie- und Handelskammern (IHK) alle für April und Mai 2020 geplanten schriftlichen Abschlussprüfungen in den Sommer 2020 verschieben werden. Die Prüfungen sollen voraussichtlich in der Zeit vom 16. bis 19. Juni 2020 stattfinden. Für die industriell-technischen Prüfungen wird der 16./17. Juni 2020 und für die kaufmännischen Prüfungen der 18./19. Juni 2020 anvisiert.

Prüfungsteilnehmer, die im Frühjahr für die Abschlussprüfung Teil 1 angemeldet waren, können die entsprechende Prüfung im Herbst nachholen. Alle Zwischenprüfungen, die im Frühjahr hätten stattfinden sollen, entfallen hingegen ersatzlos. Für die spätere Zulassung zur Abschlussprüfung sollen hieraus nach Auffassung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der für die Prüfung zuständigen Stellen keine negativen Konsequenzen erwachsen (Anhang). Gestützt wird dies auf eine Analogie zu § 44 Abs. 3 S. 2 BBiG, der im Fall einer gestreckten Abschlussprüfung eine Zulassung zum zweiten Teil der Abschlussprüfung auch dann vorsieht, wenn Auszubildende aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht am ersten Teil der Abschlussprüfung teilgenommen haben. Dies müsse – so die vorgenannten Ministerien – dann erst recht für die Zwischenprüfung gelten, die lediglich eine Lernstandskontrolle darstelle.

Sofern aufgrund des Ausfalls oder der Verschiebung der Prüfung das Ausbildungsverhältnis vor dem Ablegen der Prüfung endet, sieht das Berufsbildungsgesetz (BBiG) keine automatische Verlängerung vor. Diese könnte aber ggf. vom Auszubildenden beantragt werden. Dieser müsste sodann darlegen, dass die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 8 Abs. 2 BBiG). Die Entscheidung über die Verlängerung obliegt in der Folge dann der zuständigen Stelle (Kammer).

Bis einschließlich Mai 2020 finden zudem auch keine IHK-Weiterbildungsprüfungen statt. Diese werden zwischen Juni und August 2020 nachgeholt. Alle IHK-Unterrichtungen sowie IHK-Sach- und Fachkundeprüfungen (Verkehrsprüfungen, Gewerberecht) bleiben mindestens bis 24. April 2020 ausgesetzt. Bei dringenden Engpässen, z. B. in systemrelevanten Unternehmen, kann es im Einzelfall Ausnahmen geben. Die Entscheidung wird in diesem Fall von der jeweils zuständigen IHK im Austausch mit den Unternehmen getroffen.

Zudem gilt folgende Sonderregelung in der Logistik: Die Gültigkeit der Schulungsnachweise für Berufskraftfahrer sowie im Gefahrgutbereich wurden verlängert. Alle Bescheinigungen über die Fahrzeugführerschulung, deren Geltungsdauer zwischen dem 1. März und dem 1. November 2020 endet, bleiben bis zum 30. November 2020 gültig. Dasselbe gilt für Schulungsbescheinigungen für Gefahrgutbeauftragte.

Ausfall der Ausbildung

Bei einer teilweisen oder vollständigen Betriebsschließung oder einer vereinbarten Kurzarbeit gilt für die Ausbildung Folgendes:

Zunächst muss der Ausbildungsbetrieb unter allen Umständen versuchen, die Ausbildung aufrecht zu erhalten. Sofern der Betrieb auch nur in einem Teilbereich weiterläuft, ist der Versuch zu unternehmen, die Ausbildung in diesen Bereich zu verlagern. Im Einzelfall müssen entsprechende Ausbildungsinhalte vorgezogen werden. Unter Umständen kommt auch eine Teilzeitausbildung in Betracht (Reduzierung auf bis zu 50 % der täglichen/wöchentlichen Ausbildungszeit gemäß § 7a BBiG).

Sofern keine betrieblichen Aktivitäten mehr stattfinden, können auch ausbildungsrelevante Aufgaben oder Projekte für die Erarbeitung zu Hause entwickelt werden. In diesem Fall („Homeoffice“) muss durch den Ausbildenden eine ausreichende Betreuung der Auszubildenden (virtuell oder telefonisch) sichergestellt sein. Es kann in diesem Kontext gleichsam zusätzliche Lernzeit für die Berufsschule vorgesehen werden. Ausbilder sind möglichst lange im laufenden Betrieb zu halten und dürfen etwa erst dann in Kurzarbeit gehen, wenn keine Alternative mehr besteht.

Sind alle Möglichkeiten zum Aufrechterhalten der Ausbildung ausgeschöpft, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende vereinbart werden, wenn die Unterbrechung der Ausbildung unvermeidbar ist. In diesem Fall haben Auszubildende gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2a BBiG jedoch zunächst einen sechswöchigen Anspruch auf Fortzahlung ihrer Vergütung. Unsere Dachorganisation, die BDA, setzt sich neben dem BMBF derzeit für eine bis Ende 2020 befristete Aussetzung dieses Anspruchs ein. Demnach soll im Falle einer vereinbarten Kurzarbeit für die Dauer des Bezugs des Kurzarbeitergeldes (Kug) der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung entfallen. Die bisherigen Bemühungen blieben bislang aber ohne Erfolg.

Als letzte Maßnahme kann der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis kündigen, sofern eine ordnungsgemäße Ausbildung nicht mehr sichergestellt werden kann, weil der Betrieb ganz oder teilweise geschlossen ist oder aufgrund der Umstände die Ausbildungsberechtigung nicht mehr besteht (z. B. steht kein ausbildendes Personal mehr zur Verfügung). In diesen Fällen besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).

Diskutiert werden zudem Modelle einer Verbundausbildung, sofern Teile der Ausbildung in einem anderen Betrieb noch vermittelt werden können. Dies ist jedoch kurzfristig nur schwer zu realisieren und mit einigen rechtlichen Hürden verbunden.

Ausfall des Berufsschulunterrichts

Bundesweit findet derzeit kein Präsenzunterricht in den Berufsschulen statt. Sofern anstelle des regulären Unterrichts Online-Angebote geschaffen bzw. Aufgaben zur eigenverantwortlichen Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden, ist den Auszubildenden entsprechend Zeit einzuräumen, diese Angebote wahrzunehmen bzw. Aufgaben zu bearbeiten. Aus diesem Grunde gilt die Pflicht zur Freistellung für den Berufsschulunterricht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 BBiG fort. Falls infolge eines erhöhten betrieblichen Bedarfs die Auszubildenden im Betrieb unverzichtbar sind, gibt es entsprechend der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen (Berufsschulverordnungen) die Möglichkeit, eine Befreiung von der Berufsschule zu beantragen (in der Regel nur für wenige Tage). Auch wenn die zuständige(n) Berufsschule(n) derzeit nicht erreichbar sein sollte(n), empfiehlt es sich, die Befreiung durch einen formlosen Antrag per E-Mail (mit Angabe der betroffenen Auszubildenden) zu stellen. Selbstverständlich muss im Nachgang dann gemeinsam eine Möglichkeit gefunden werden, den Berufsschulstoff nachzuholen, damit auf Seiten der Auszubildenden kein Nachteil entsteht.

FAQ Corona

Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) beim IW Köln stellte auf seiner Homepage insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen Tipps und Informationen sowie erste Praxisbeispiele von Unternehmen rund um die Corona-Krise zusammen. Sie erreichen das KOFA per E-Mail oder per Telefon 0221 49 81-543.

Zudem werden im Institut der deutschen Wirtschaft aktuell Best Practice-Beispiele für die digital vermittelte Ausbildung in Zeiten von Corona gesammelt und in Kürze u.a. in Form eines Webinars aufbereitet. Hinweise auf funktionierende und übertragbare Praxisansätze sowie Interessensbekundungen für das Webinar können per E-Mail entgegengenommen werden.

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