Überblick

Corona-Maßnahmenpaket: Erhöhung der Anforderung des betrieblichen Arbeitsschutzes

Corona-Arbeitsschutzverordnung enthält Homeoffice-Regelung, die die Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice anzubieten.

In der Videokonferenz vom 19. Januar 2021 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer sich auf eine weitere Verlängerung und Verschärfung der bestehenden Corona-Maßnahmen verständigt (Anhang A). Angesichts der festgestellten Virusmutationen gelte es, deren Verbreitung in Deutschland zu vermeiden und die Infektionszahlen schnell zu senken. Dies erfordere insbesondere eine Beschränkung der Kontakte im privaten Bereich auf das absolut notwendige Minimum sowie das Tragen von medizinischen Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Geschäften. Aber auch im beruflichen Umfeld sollen die bereits bestehenden Anforderungen verschärft werden.

Corona-Arbeitsschutzverordnung

Der Beschluss sieht den Erlass einer bis zum 15. März 2021 befristeten Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vor, die darauf gerichtet ist, die epidemiologisch relevanten Kontakte auch im beruflichen Umfeld zu reduzieren. Das BMAS hat den Entwurf einer Corona-Arbeitsschutzverordnung (Anhang B) wenige Stunden später in die Kabinettssitzung der Bundesregierung eingebracht.

Der Kabinettsentwurf sieht Folgendes vor:

Maßnahmen zur Kontaktreduzierung im Betrieb (vgl. § 2)

  • Homeoffice (§ 2 Abs. 4): Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Eine Pflicht der Arbeitgeber zur Ausstattung des Homeoffice ist damit nicht verbunden. Durch Homeoffice sollen Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit reduziert werden. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Angebot zu nutzen.
  • Regelungen zur Mindestfläche von 10 m² pro jeder im Raum befindlichen Person, soweit die auszuführenden Tätigkeiten dies zulassen (§ 2 Abs. 5). Lassen die auszuführenden Tätigkeiten dies nicht zu, so hat der Arbeitgeber durch andere geeignete Maßnahmen (insb. Lüftungsmaßnahmen, Abtrennungen) einen gleichwertigen Schutz sicherzustellen.
  • Festlegung von kleinen Arbeitsgruppen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten (§ 2 Abs. 6). Reduktion der Personenkontakte zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen im Betriebsablauf. Zeitversetztes Arbeiten ist zu ermöglichen, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen.

Arbeitgeber haben medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken oder vergleichbare Atemschutzmasken zur Verfügung zu stellen, wenn

  • die Anforderungen an die Raumbelegung nach § 2 nicht eingehalten werden können,
  • der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, oder
  • bei ausgeführten Tätigkeiten mit Gefährdung durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist.

Die Beschäftigten haben die Masken zu tragen.

Die Verordnung soll fünf Tage nach Verkündung in Kraft treten. Am 15. März 2021 tritt sie außer Kraft.

Bewertung

Zwar ist im SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard sowie in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel bereits alles Erforderliche für einen wirksamen Schutz der Beschäftigten vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus geregelt. Auch wird der gemeinsame Appell des Bundespräsidenten und der Spitzenverbände vom 15. Januar 2021 zur verstärkten Nutzung mobiler Arbeit (Anhang C) durch die Homeoffice-Regelung von der Praxis wahrgenommen und umgesetzt. Dessen ungeachtet können die Maßnahmen eine weitere Kontaktreduzierung bewirken.

Der jetzt vorliegende Entwurf der Corona-Arbeitsschutzverordnung in § 2 Abs. 4 sieht allein eine Angebotspflicht des Arbeitgebers vor. Arbeitgeber müssen den Angestellten die Arbeit im Homeoffice anbieten. Sie werden nicht dazu verpflichtet, die Arbeit im Homeoffice gegen den Willen der Angestellten durchzusetzen. Überdies betrifft die Pflicht der Arbeitgeber, den Beschäftigten anzubieten, ihre Tätigkeit vom Homeoffice aus zu erbringen, allein mit Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten befasste Angestellte.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 4 besteht ferner dann nicht, wenn der Ausführung der Tätigkeit in der Wohnung des Beschäftigten zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. Mit der vorgesehenen Regelung ist eine Ausstattungspflicht nicht verbunden. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung reicht nicht so weit, dass der die Homeoffice-Tätigkeit anzubietende Arbeitgeber auch verpflichtet sein soll, die Wohnung „homeoffice-fähig“ zu machen, also in diese zu investieren.

Den deutschen Arbeitgeberverbänden ist es gelungen, gegenüber dem am gestrigen Tage zirkulierenden Referentenentwurf der Corona-Arbeitsschutzverordnung signifikante Verbesserungen zu erreichen:

  • Streichung des Verbots des gemeinschaftlichen Verzehrens von Speisen und Getränken im Betrieb, etwa in Kantinen und Pausenräumen.
  • Streichung der Verpflichtung der Arbeitgeber, ab einem 7-Tage-Inzidenzwert die Beschäftigten regelmäßig zu testen.
  • Streichung der Sanktion (mittels Ordnungswidrigkeit) für den Fall, dass ein Arbeitgeber beispielsweise die Gefährdungsbeurteilung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig aktualisiert oder dokumentiert oder den Beschäftigten die Gesichtsmasken nicht zur Verfügung gestellt haben sollte.

Im Einzelnen

§ 2 Abs. 4 Homeoffice

Zwar enthält die Verordnung keinen zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, die Ausführung seiner Arbeit in seiner Wohnung zu gewähren. Allerdings wird eine öffentlich-rechtlich wirkende Pflicht des Arbeitgebers geschaffen, Arbeitnehmern mit „Bürotätigkeiten und vergleichbaren Arbeiten“ das Arbeiten in seiner Wohnung anzubieten. Diese Verpflichtung kann die zuständige Behörde mit Verwaltungszwang vom Arbeitgeber einfordern und ggf. eine Umsetzung im Wege einer einstweiligen Anordnung erzwingen. Der Arbeitnehmer ist demgegenüber nicht verpflichtet, das Angebot anzunehmen. Eine solche einseitige Verpflichtung des Arbeitgebers zum Angebot mobiler Arbeit, die ggf. durch Verwaltungszwang umzusetzen ist, kann in die betriebliche Gestaltung der Arbeitsabläufe eingreifen. Die getroffene Regelung ist allerdings kaum justiziabel. Eine Behörde wird kaum in der Lage sein, abschließend zu beurteilen, welche Arbeit unter welchen Bedingungen vom heimischen Arbeitsplatz geleistet werden kann. Die Möglichkeit der Androhung von Verwaltungszwang ist nicht zwingend besser geeignet, die Homeoffice-Quote zu erhöhen, als die vielfältigen Aufrufe der Sozialpartner zu einer einvernehmlichen Lösung. Aktuelle Zahlen zeigen, dass im Verlaufe der Krise bis zu einem Viertel der Beschäftigten vollständig ins Homeoffice gewechselt sind, weitere 20 % teilweise. In der Versicherungswirtschaft liegt die Homeoffice-Quote damit bei über 90 %.

§ 2 Abs. 5 Mindestfläche für Beschäftigte

Eine Vorgabe zu Mindestflächen gab es für Betriebsstätten (Ausnahme: Einzelhandel) bislang weder im SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard noch in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel. Laut Gesetzentwurf orientieren sie sich an den Angaben für Verkaufsflächen pro Person im Groß- und Einzelhandel, die im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 25. November 2020 festgelegt wurden. Bislang war das Kriterium in den Betrieben ein Mindestabstand von 1,5 m, welcher sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.

Die Vorgabe wird weiteren Organisationsaufwand in den Betrieben nach sich ziehen. Zu begrüßen ist, dass Abtrennungen und regelmäßiges Lüften weiterhin als Schutzmaßnahmen benannt werden, sollte die angegebene Mindestfläche von 10 m² unterschritten werden. Positiv ist auch, dass diese Bestimmung auf die Arbeitsplätze beschränkt ist und sich insbesondere nicht auf Unterkünfte erstreckt, die vom Arbeitgeber bereitgestellt werden.

§ 2 Abs. 6 Bildung kleiner Arbeitsgruppen

Das Ziel der Kontaktreduzierung zur Verringerung des Infektionsgeschehens ist nachvollziehbar. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das Arbeiten in kleinen Arbeitsgruppen eine enorme Herausforderung für die Betriebe darstellt und, wenn überhaupt, nur durch Mehrarbeit aufgefangen werden kann.

Ein zeitversetztes Arbeiten, etwa in zwei statt wie üblich in drei Schichten, kann nur ermöglicht werden, wenn auch hier wie im Frühjahr des vergangenen Jahres durch die COVID-19-Arbeitszeitverordnung wieder Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz ermöglicht werden. Insbesondere bedarf es der vorübergehenden Möglichkeit zur Anhebung der Höchstarbeitszeit, zur Verkürzung der Ruhezeiten und zum erleichterten Einsatz von Beschäftigten an Sonn- und Feiertagen. Mit einer flexiblen Handhabung kann auch eine Entzerrung in den Betrieben erreicht werden, wie sie die Corona-Arbeitsschutzverordnung vorsieht.

§ 3 Mund-Nasen-Schutz

Der Arbeitgeber muss unter bestimmten Voraussetzungen nun einen medizinischen Mund-Nase-Schutz, eine FFP2-Maske oder eine vergleichbare Maske den Beschäftigten zur Verfügung stellen. Dies widerspricht der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, in der Arbeitsschutzexperten explizit die Verwendung von Mund-Nase-Bedeckung (Alltagsmasken) als ausreichend beschrieben haben.

Sofern FFP2-Masken verwendet werden, sind Tragezeitbegrenzungen und eine entsprechende arbeitsmedizinische Vorsorge zu berücksichtigen.

Positiv ist, dass von einer generellen Verpflichtung zur Nutzung von FFP2-Masken abgesehen wird und dass Beschäftigte verpflichtet werden, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Maske zu tragen. Zudem ist diese nur unter bestimmten Bedingungen zu tragen. Für die Betriebe besteht jedoch weiterhin die Sorge, dass die Verfügbarkeit mittelfristig nicht gesichert ist, wenn nun für alle der weiterhin notwendigerweise im Betrieb arbeitenden Personen täglich mindestens ein medizinischer Mund-Nase-Schutz zur Verfügung gestellt werden muss.

§ 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Das Inkrafttreten erfolgt fünf Tage nach Verkündung. Dies ist eine sehr kurze Zeit, wenn die Betriebe alle Forderungen umsetzen sollen. Dies umfasst vor allen den sehr kurzen Beschaffungszeitraum für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz und die Anpassung der Arbeitsräume, um die Mindestfläche von 10 m² sicherzustellen.

Der Entwurf ist heute als Kabinettsvorlage in die Kabinettssitzung gegangen. Eine Zustimmung des Bundesrates ist nach § 18 Abs. 3 ArbSchG nicht erforderlich. Über den weiteren Fortgang werden wir Sie informieren.

Ansprechpartner:
Ansprechpartner: