Überblick

COVID-19-Krise: Hinweise zur Einführung von Kurzarbeit

Bei der Einführung von Kurzarbeit in Versicherungsunternehmen ist § 11 Ziff. 1 Abs. 5 MTV zu beachten.

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat einen Fragen- und Antworten-Katalog zum Thema „Kurzarbeit Qualifizierung“ veröffentlicht (FAQ, Stand 16. März 2020). Dort wird das Instrument der Kurzarbeit erläutert und es werden die wichtigsten Fragen zum Anspruch auf Kurzarbeitergeld, zum Antragsverfahren und zur Frage der geförderten Weiterbildung während der Kurzarbeit beantwortet. Hierbei werden auch die kürzlich erlassenen Sonderregelungen für die Dauer der COVID 19-Krise behandelt.

Die Bundesregierung wird in Kürze eine Verordnung mit erleichterten Kurzarbeitergeldregelungen erlassen. Hierüber wird in diesem Rundschreibendienst berichtet. Die Erleichterungen sollen rückwirkend ab 1. März 2020 greifen. Der FAQ greift diese Erleichterungen bereits auf (vgl. S. 1 unten).

Generelle Hinweise zur Kurzarbeit finden sich auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit:

Folgendes ist festzustellen:

Für Versicherungsunternehmen wird es tendenziell aufwendiger sein, die Voraussetzungen der Kurzarbeit darzulegen wie für Produktionsbetriebe oder Dienstleistungsunternehmen mit Termingeschäft. Der eintretende Arbeitsausfall muss sich entweder aus wirtschaftlichen Gründen ergeben oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Gründe besteht bei einem Versicherungsbetrieb die Besonderheit, dass auch während der COVID-19-Krise die überwiegend auf Langfristigkeit ausgelegten Kundenbeziehungen (Versicherungsvertragsverhältnisse) von den Kunden bedient werden, sodass vom Eintritt einer wirtschaftlichen Notlage nicht auszugehen ist. Das Vorliegen eines „unabwendbaren Ereignisses“ durch die COVID-19-Krise wird im Falle von behördlichen Anordnungen der Betriebsstilllegung bzw. der Betriebseinschränkungen oder der Stilllegung einzelner Abteilungen gegeben sein. Ist dies nicht der Fall, so wird der Nachweis zu führen sein, dass sich unmittelbar kausal aufgrund der COVID-19-Krise der Arbeitsanfall erheblich verringert hat.

Hinzu tritt, dass die in den Versicherungsunternehmen häufig äußerst flexibel ausgestalteten Arbeitszeitregelungen es möglich machen werden, über die Nutzung von Arbeitszeitguthaben den Bezug von Kurzarbeitergeld zu vermeiden.

Vor Beantragung von Kurzarbeit müssen die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen von Kurzarbeit geschaffen werden. Kurzarbeit kann nicht per Direktionsrecht angeordnet werden. Die Einführung von Kurzarbeit bedeutet einen Eingriff in die vertraglichen Abreden der Arbeitsvertragsparteien. Für die Herbeiführung dieser Vertragsänderung gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. Diese stellen sich im Geltungsbereich der Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft wie folgt dar:

Über die Regelung des § 11 Ziff. 1 Abs. 5 MTV kann durch eine Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend die Kurzarbeit unter Beachtung der im Tarifvertrag festgelegten Konditionen durchgesetzt werden. In diesen Fällen bedarf es keiner individuellen Billigung der Kurzarbeit durch die Arbeitnehmer, da für die tarifgebundenen Arbeitnehmer die Eingriffsbefugnis der Betriebsparteien über § 11 Ziff. 1 Abs. 5 MTV unmittelbar sichergestellt ist. Bei den nicht unmittelbar tarifgebundenen Angestellten ist dies über die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung auf den Tarifvertrag ebenfalls der Fall.

§ 11 Ziff. 1 Abs. 5 MTV hat folgenden Wortlaut:

„Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne von Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 für alle Angestellten oder Gruppen von Angestellten um bis zu acht Stunden in der Woche verkürzt werden; die Bezüge werden entsprechend gekürzt, wobei ein Einkommensausgleich von zwanzig Prozent zu erfolgen hat. Zuvor sollen in dem betreffenden Bereich die Möglichkeiten zum Abbau von Mehrarbeit und zur Förderung von Teilzeitarbeitsverhältnissen genutzt werden. Während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung dürfen gegenüber den von ihr erfassten Angestellten keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Auszubildende sowie Studenten von dualen Studiengängen werden von dieser Regelung nicht erfasst.“

Die Einzelheiten dieser Regelung sind im Kommentar von Hopfner unter § 11 Rn. 26 ff. im Einzelnen erläutert (Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft, Kommentar, 10. Auflage).

Zu beachten ist insbesondere Folgendes:

Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit kann nicht über die Einigungsstelle erzwungen werden. Der Tarifvertrag sieht den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung vor.

Die Arbeitszeitverkürzung über den Weg der Betriebsvereinbarung ohne Einwilligung der Arbeitnehmer kann nur bis zu dem Grad von 8 Stunden pro Woche erfolgen (also bei Vollzeitangestellten von 38 Stunden auf 30 Stunden). Die Betriebsvereinbarung hat vorzusehen, dass ein Einkommensausgleich von 20 % zu erfolgen hat.

Abgesehen von dieser Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung ohne Einwilligung der Arbeitnehmer besteht auch die Möglichkeit, mit den Arbeitnehmern Kurzarbeit individualvertraglich zu vereinbaren. In diesem Fall müssen die in § 11 Ziff. 1 Abs. 5 MTV festgelegten Regelungen nicht eingehalten werden, da es der Dispositionsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien obliegt, die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers (gegebenenfalls eben auch nur befristet für die Dauer von Kurzarbeit) festzulegen.

Allerdings besteht auch in diesen Fällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Auch einzelvertragliche Kurzarbeit kann folglich nur mit Zustimmung des Betriebsrates eingeführt werden.

Soll die Kurzarbeit individualvertraglich in einem höheren Grad als durch Tarifvertrag zugelassen und/oder ohne Einkommensausgleich vereinbart werden, so kann dies wegen der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht durch eine Betriebsvereinbarung erfolgen. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG muss in diesem Fall durch eine lediglich inter partes wirkende Regelungsabrede erfolgen. Eine solche Regelungsabrede unterliegt nicht der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, da diese Sperrwirkung lediglich für normative Regelungen zwischen die Betriebsparteien gilt.

Ein wesentlicher Nachteil dieses Vorgehens der Einführung von Kurzarbeit über Individualabreden ist die Notwendigkeit der Vereinbarung einer Vielzahl von Abreden mit den von der Kurzarbeit betroffenen Angestellten.

Ansprechpartner: