Überblick

Saisonarbeitskräfte und Grenzgänger während der COVID-19-Krise

Leitlinien der Europäischen Kommission zielen darauf ab, Rechte, Gesundheit und Sicherheit dieser Arbeitskräfte sicherzustellen und kündigen Maßnahmen an, die Situation zu verbessern.

Die Europäische Kommission hat am 16. Juli 2020 „Leitlinien für Saisonarbeitnehmer in der EU im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch” (Anhang) vorgelegt. Sie reagiert damit auf die vor allem aus den Reihen des Europäischen Parlaments erhobenen Kritik an der Situation von Saisonarbeitskräften und Grenzgängern während der COVID-19-Krise. Die Kommission bezieht sich mit ihrer Mitteilung auf drei Gruppen von Saisonarbeitskräften:

  • EU-Arbeitskräfte, die in einem anderen Mitgliedstaat für einen definierten Zeitraum ein Arbeitsverhältnis annehmen,
  • EU-Arbeitskräfte, die in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden oder
  • Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die etwa im Zuge der Saisonarbeitnehmer-Richtlinie in die EU kommen, um als solche beschäftigt zu werden.

Die neuen Leitlinien ergänzen die bereits vorgelegten Leitlinien für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs (Arbeitgeber-Rundschreiben 19/2020 vom 3. April 2020).

Mitgliedstaatliche Ebene

Die Mitteilung beinhaltet zum einen auf nationaler Ebene umzusetzende Empfehlungen, etwa an Behörden und Sozialpartner der Mitgliedstaaten, um Rechte, Gesundheit und Sicherheit von Saisonarbeitskräften sicherzustellen und insbesondere die europäischen Regelungen zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSH) mit Blick auf Saisonarbeitnehmer umzusetzen. Hierzu zählten die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG sowie mehr als 20 ergänzende Richtlinien zu weiteren Aspekten. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise sollten Arbeitgeber Risikobewertungen vornehmen, Maßnahmen durchführen und Saisonarbeitskräfte entsprechend informieren. Hierfür seien die EU-OSHA-Leitlinien in den Mitgliedstaaten bekannt zu machen (Arbeitgeber-Rundschreiben 24/2020 vom 30. April 2020). Hierzu fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, Vor-Ort-Inspektionen zu verstärken, um die korrekte Anwendung von OSH-Normen sicherzustellen. Zudem ruft die Kommission die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen für angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen der Saisonarbeitskräfte zu ergreifen.

Die Kommission weist außerdem auf das jeweils für Saisonarbeitskräfte anwendbare Sozialversicherungsrecht nach der geltenden Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hin (EG 883/2004): Durch die korrekte Anwendung dieser Vorschriften sei gewährleistet, dass Saisonarbeitskräfte die gleichen Rechte und Ansprüche wie reguläre Beschäftigte des Beschäftigungslandes hätten. Zudem könne so sichergestellt werden, dass es nicht zu Deckungslücken oder Nichtleistung von Sozialabgaben komme. Sollte es sich um entsandte Arbeitnehmer handeln, müsse eine A1-Bescheinigung beantragt werden, da sie dem Sozialversicherungssystem ihres Entsendestaates unterliegen. Zudem solle sichergestellt werden, dass Verstöße gegen die Regelungen festgestellt und letztlich auch geahndet werden.

Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern schließlich die Unterrichtung von Saisonarbeitskräften über ihre Rechte verbessern – möglichst in ihrer Sprache. Hierfür weist die Kommission auf die geltenden Informationsanforderungen der Nachweisrichtlinie (91/533/EWG) sowie für Entsandte auf die in der Richtlinie (2014/67/EU) vorgeschriebenen nationalen Websites hin. Auch das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität – EURES könne wichtige Informationen enthalten.

EU-Ebene

Zum anderen kündigt die Kommission eine Reihe von – allein nicht-legislativen – Maßnahmen auf europäischer Ebene an, um die Situation von Saisonarbeitskräften zu verbessern, wie etwa Studien und Sensibilisierungskampagnen und will

  • eine Studie zur Saisonarbeit innerhalb der EU und eine Ermittlung der wichtigsten Herausforderungen in Auftrag geben,
  • eine Erhebung zu Berufen mit hohem Risiko durchführen,
  • eine von der Europäischen Arbeitsbehörde koordinierte Sensibilisierungskampagne beginnen,
  • eine Anhörung der europäischen Sozialpartner zur Saisonarbeit organisieren,
  • eine vergleichende Analyse in verschiedenen Mitgliedstaaten durch das Netz der Rechtsexperten für Freizügigkeit und Koordinierung der sozialen Sicherheit (MoveS) durchführen und
  • die Mitgliedstaaten durch die Europäische Plattform zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit und die Kampagne „#EU4FairWork“ unterstützen.

Bewertung

Erfreulicherweise erkennt die Kommission die besondere Bedeutung der Arbeitskräftemobilität innerhalb der Europäischen Union an und schlägt keine legislativen Maßnahmen vor, die diese einschränken oder erschweren könnten. In Bezug auf die Situation von Saisonarbeitskräften ist kein Rechtsetzungsdefizit auf EU-Ebene festzustellen. Soweit es hier zu Problemen gekommen ist, ist hierfür die nicht ausreichende Anwendung, Durchsetzung oder Kontrolle von Rechten in den Mitgliedstaaten ursächlich.

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