Überblick

Ausweitung des Kinderkrankengeldes: Kabinettvorlage für einen Gesetzentwurf

Eine Ergänzung des Kinderkrankengeldes soll Verdienstausfälle der Eltern wegen pandemiebedingter Schließung und Einschränkung von Kinderbetreuungsstätten auffangen.

Anlässlich der Corona-Krise haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder am 5. Januar 2021 beschlossen, das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 um zehn zusätzliche Tage pro Elternteil (20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende) auszuweiten. Das Bundeskabinett wird am 13. Januar 2021 voraussichtlich die nachfolgende Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Ausweitung des Kinderkrankengeldes beschließen (Anhang A).

Nach § 45 Abs. 2 SGB V werden folgende Absätze 2a und 2b eingefügt, die rückwirkend zum 5. Januar 2021 in Kraft treten sollen:

„(2a) Abweichend von Abs. 2 Satz 1 besteht der Anspruch auf Krankengeld nach Abs. 1 für das Kalenderjahr 2021 für jedes Kind längstens für 20 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 40 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 45 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 90 Arbeitstage. Der Anspruch nach Abs. 1 besteht für das Kalenderjahr 2021 auch dann, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird. Die Schließung der Schule oder der Einrichtung zur Betreuung von Kindern, das Betretungsverbot, die Verlängerung der Schul- oder Betriebsferien, die Aussetzung der Präsenzpflicht in einer Schule oder die Einschränkung des Zugangs zum Kinderbetreuungsangebot ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen.

(2b) Für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach Abs. 1 i.V.m. Abs. 2a Satz 3 ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Abs. 1a des Infektionsschutzgesetzes.“

Der Anspruch, der nur für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer gilt, ist beschränkt auf das Kalenderjahr 2021 und soll auch für die Fälle gelten, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich ist, weil die Schule oder die Kindertageseinrichtung ganz oder teilweise pandemiebedingt geschlossen oder die Kinderbetreuung eingeschränkt ist. Die Schließung der Betreuungseinrichtung, das Betretungsverbot, die Verlängerung der Schul- oder Betriebsferien, die Aussetzung der Präsenzpflicht oder die Einschränkung des Zugangs zum Betreuungsangebot ist den Krankenkassen nachzuweisen. Die Krankenkasse kann hierzu die Vorlage einer Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung verlangen. Der Anspruch gilt auch für den Fall, dass das Kind auf Grund der Empfehlung von behördlicher Seite die Einrichtung nicht besucht hat.

Letzterer Aspekt ist für Eltern von hoher Relevanz, da das Kinderkrankengeld offensichtlich auch dann bezogen werden kann, wenn eine Notbetreuung für die Kinder zwar vorhanden ist, die Behörden jedoch an die Eltern appellieren, die Kinder nur in zwingenden Fällen zur Notbetreuung anzumelden. Insoweit ist das Kinderkrankengeld „leichter zugänglich“ als die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG, die nur dann gezahlt wird, wenn die Arbeitnehmer nachweisen, dass keine anderweitige zumutbare Betreuung vorhanden war. Die Notbetreuung wiederum stellt nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit eine zumutbare Betreuung dar, so dass ihre Existenz den Anspruch nach IfSG verhindert (Anhang B – FAQ zu § 56 lfSG). Der Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht ausweislich der Begründung auch unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Home-Office erbracht werden kann. Auch insoweit kommt es anders als nach IfSG nicht auf die Zumutbarkeit des Home-Offices an.

Für die Zeit des Bezugs von Kinderkrankengeld ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG. Nach der Begründung soll für denselben Zeitraum weder für das dem Kinderkrankengeldbezug zugrundeliegende Kind noch für ein anderes betreuungsbedürftiges Kind eine Entschädigungsleistung beansprucht werden können.

Zur Kompensation der Kostenbelastung der gesetzlichen Krankenkassen ist zunächst eine pauschale Erhöhung des Bundeszuschusses i.H.v. 300 Mio. € vorgesehen. Sollten die Aufwendungen darüber hinausgehen, erfolgt eine Spitzabrechnung.

Bewertung

Es ist richtig und wichtig, Arbeitnehmer bei pandemiebedingten Ausfällen der Kinderbetreuung zu unterstützen. Die Ausweitung des Kinderkrankengeldes ist allerdings ein unsystematischer Weg. Eine im Rahmen des Kindergeldes durch die Krankenkassen erfolgende Finanzierung von Lohnersatzleistungen, die wegen des pandemiebedingten Ausfalls der Kinderbetreuung anfallen, ist sachfremd und auch insoweit „schief“, als ausschließlich gesetzlich versicherte Arbeitnehmer privilegiert werden.

Sinnvoller ist es, zur Umsetzung des Beschlusses den bereits bestehenden § 56 Abs. 1a IfSG anzupassen und den dort vorgesehenen Bezugszeitraum von zehn Wochen entsprechend zu erweitern sowie ihn tatbestandlich zu bejahen, wenn u.a. von behördlicher Seite die Empfehlung ausgesprochen wird, die Notbetreuung nicht zu besuchen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat sich daher an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags gewandt und grundsätzliche Bedenken vorgebracht (Anhang C). Auch der Verband der privaten Krankenversicherungen kritisiert die Ausgestaltung des Kinderkrankengeldes:

„Das Kinderkrankengeld ist eine familienpolitische Sozialleistung, die der Bund aus seinen Steuermitteln finanzieren müsste. Als versicherungsfremde Leistung in der Gesetzlichen Krankenversicherung belastet es die GKV-Beitragszahler und erhöht die Lohnzusatzkosten. Sachgerecht wäre ein Leistungsanspruch im Infektionsschutzgesetz und damit eine Finanzierung über Steuern, zu denen alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beitragen und worauf dann auch alle Familien den gleichen Anspruch hätten.“

Rein praktisch für den jeweiligen gesetzlich versicherten Mitarbeiter betrachtet, ist die Ergänzung des Kinderkrankengeldes positiv, da weniger strenge Anspruchsvoraussetzungen als nach IfSG gelten. Die vorherige Einbringung von Resturlaub aus dem Vorjahr, der Abbau von Plusstunden sowie die Zumutbarkeit von Home-Office werden beim Kinderkrankengeld nicht verlangt. Aus Arbeitgebersicht vorteilhaft ist, dass er nur „unbezahlt freistellen muss“ und nicht wie nach IfSG finanziell in Vorleistung gehen muss ohne zu wissen, ob er eine Erstattung erhält. Die Abwicklung des Kinderkrankengeldes erfolgt unmittelbar zwischen Mitarbeiter und gesetzlicher Kasse.

Über das weitere Gesetzgebungsverfahren werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

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