TN 09/2011, 26. Juli 2011

Tarifabschluss 2011 / 2012 / 2013 für den Innendienst

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie im TN 8/2011 bereits angekündigt, wollen wir Sie über die Einzelheiten unseres Tarifabschlusses vom 21. Juli 2011 informieren.

Neben einer Gehaltstariferhöhung in zwei Stufen für die in § 1, § 1a GTV geregelten Gehälter einschließlich Tätigkeitszulage und Verantwortungszulage, der Erhöhung der in § 2 GTV normierten Ausbildungsgehälter und der in § 11 Ziff. 5 MTV geregelten Schichtzulage wurden Regelungen zu folgenden Punkten getroffen:

  • Einmalzahlung i. H. v. € 350 für die Innendienstangestellten (nicht für die Auszubildenden), zahlbar im August 2011.

    Mitarbeiter in den Gehaltsgruppen A, B, I und II erhalten € 100 zusätzlich, zahlbar im August 2011.
  • Verlängerung der Altersteilzeitabkommen für den Innendienst und für den organisierenden Werbeaußendienst zu unveränderten Bedingungen – d. h. ohne Rechtsanspruch – bis 31. Dezember 2013.
  • Verlängerung der Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung bis 31. Dezember 2013.
  • Wieder-Inkraftsetzung des von ver.di zum 31. Dezember 2011 gekündigten Rationalisierungsschutz­abkommens vom 16. April 1983 zum 1. Januar 2012 mit frühestmöglicher Kündigung zum 31. Dezember 2013.
  • Vereinbarung einer Verhandlungsverpflichtung mit den Gewerkschaften, die vorsieht, im Jahre 2012 Verhandlungen über die Zukunftsfähigkeit der Tarifverträge in der Versicherungsbranche zu führen.
  • Aufnahme eines Maßregelungsverbots für die Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an Streikveranstaltungen und Protestaktionen unter Ausschluss strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen.

Die Tarifvereinbarung, die vom Arbeitgeberverband mit den gewerkschaftlichen Organisationen ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. und DBV – Deutscher Bankangestellten Verband abgeschlossen wurde, ist samt Gehaltstabellen als Anlage beigefügt.

Zu den Einzelpunkten:

I. Einmalzahlung

Die Tarifvereinbarung vom 21. Juli 2011 sieht in Ziff. 2 eine feste Einmalzahlung i. H. v. € 350 für die Angestellten (nicht die Auszubildenden) vor. Mitarbeiter der Tarifgruppen A und B sowie TG I und II erhalten € 100 zusätzlich. Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die unter Teil II des MTV fallen und am 1. August 2011 Anspruch auf Bezüge gem. § 3 Ziff. 2 MTV, auf Altersteilzeitvergütung, auf Leistungen gem. § 10 Ziff. 1 bis 3 MTV oder auf Leistungen für die Zeiten der Mutterschutzfristen und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz haben. Angestellte des Werbeaußendienstes (auch organisierender Werbeaußendienst) und solche Mitarbeiter, die zum 1. August 2011 keinen Anspruch auf die vorgenannten Leistungen haben, erhalten keine Einmalzahlung.

1. Teilzeit- und Altersteilzeitarbeitsverhältnisse

Teilzeitbeschäftigte und Angestellte, deren Arbeitsverhältnis in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt worden ist, erhalten die Einmalzahlung anteilig entsprechend dem prozentualen Anteil ihrer Arbeitszeit. Arbeitnehmer in Altersteilzeit erhalten daher 50 % der fixen Sonderzahlung, da sie faktisch über den Gesamtzeitraum der Altersteilzeit nur die Hälfte arbeiten. Die halbierte tarifliche Einmalzahlung für Altersteilzeitangestellte ist gem. § 2 Abs. 4 ATzA i. V. m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ATzA um 30 % aufzustocken.

2. Vorruhestand

Ehemalige Angestellte, die sich nunmehr im Vorruhestand befinden, haben – sofern auf betrieblicher Ebene oder individualvertraglich nichts anderes geregelt ist – keinen Anspruch auf die Einmalzahlung. Vorruheständler sind keine Arbeitnehmer i. S. d. § 1 Ziff. 2 MTV und damit nicht von dem Geltungsbereich der Tarifvereinbarung umfasst.

II. Altersteilzeitabkommen

Die Altersteilzeitabkommen für das private Versicherungsgewerbe vom 22. Dezember 2005 (Altersteilzeitabkommen Innendienst und Altersteilzeitabkommen Außendienst) wurden in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich bis einschließlich 31. Dezember 2013 verlängert. Die Regelungen bleiben im Übrigen unverändert.

Die in der Tarifvereinbarung vom 21. Juli 2011 geregelte Verlängerung der Altersteilzeit, hat Rückwirkung auf den 1. Juli 2011, so dass die Altersteilzeitabkommen für das private Versicherungsgewerbe, die zuletzt bis 30. Juni 2011 vereinbart waren, eine nahtlose Laufzeit bis 31. Dezember 2013 aufweisen. Für den Abschluss von Altersteilzeitverträgen, die eine Laufzeit von mehr als drei Jahren im Blockmodell vorsehen, existiert nunmehr wieder eine angesichts § 2 Abs. 2 ATG (Tarifvorbehalt) erforderliche tarifliche Grundlage.

III. Verlängerung der tariflichen Arbeitszeitkorridorregelung

Die seit 13. Dezember 1995 bestehende Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung (TV Arbeitszeitkorridor) wurde bis 31. Dezember 2013 verlängert. Die vorgenannte Tarifvereinbarung ermöglicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung den einzelvertraglichen Abschluss einer längeren Arbeitszeit als 38 Stunden in der Woche auch mit unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmern (Gewerkschaftsmitgliedern).

IV. Rationalisierungsschutzabkommen

Wie bereits mit TN 7/2011 vom 18. Juli 2011 angekündigt, hat ver.di mit Schreiben vom 12. Juli 2011 das Rationalisierungsschutzabkommen zum 31. Dezember 2011 gekündigt, da man offenbar annahm auf diese Weise i. R. d. Tarifrunde Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben zu können.

AGV und ver.di haben unter Offenlassung der Frage, welche Seite denn nun ein größeres Interesse an einer Fortgeltung des Rationalisierungsschutzabkommens habe, das Rationalisierungsschutz­abkommen mit Wirkung ab 1. Januar 2012 wieder in Kraft gesetzt. Zudem haben die Tarifvertragsparteien geregelt, dass das Rationalisierungsschutzabkommen frühestens zum 31. Dezember 2013 gekündigt werden kann.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der AGV für Verstöße von ver.di gegen die im Hinblick auf Rationalisierungsmaßnahmen geltende Friedenspflicht einen Unterlassungstitel in der Hand hat, der mit Urteil des LAG Berlin vom 28.9.2007 – 8 Sa 916/07 durch den AGV erstritten wurde und bei erneutem Verstoß jederzeit gegen ver.di vollstreckt werden kann.

V. Verhandlungsverpflichtung

Der AGV hat zu Beginn der diesjährigen Tarifrunde mehrere Modifikationen des Manteltarifvertrages gefordert, die die Zukunftsfähigkeit der Tarifverträge der Versicherungsbranche gewährleisten sollen (u.a. Ausweitung der beschäftigungswirksamen Lohngruppen A und B auf die Tarifgruppen I und II, Regelung einer tariflichen Öffnungsklausel für die Erweiterung der Möglichkeit, sachgrundlose Befristungen über zwei Jahre hinaus zu vereinbaren, Variabilisierung der tariflichen Sonderzahlungen durch freiwillige Betriebsvereinbarung, Anpassung der Tarifverträge an das AGG etc.). Insbesondere die Gewerkschaft ver.di hat Verhandlungen sowie Vereinbarungen zu den genannten Themen im Rahmen der laufenden Tarifrunde strikt abgelehnt.

Um den Gang der Tarifverhandlungen nicht zu Lasten der Beschäftigten zu verzögern, hat der AGV im Rahmen der laufenden Tarifrunde davon Abstand genommen, diese Forderungen im Rahmen der Gehaltstarifverhandlungen durchzusetzen. Als Gegenleistung für diese Position hat der AGV jedoch eine ernsthafte Verhandlungsverpflichtung von den Gewerkschaften eingefordert, der schließlich auch ver.di nachgekommen ist.

Die Tarifvertragsparteien werden im Jahr 2012 Verhandlungen über die Zukunftsfähigkeit der Tarifverträge in der Versicherungsbranche führen. Die Verhandlungen sollen im Januar 2012 beginnen. Jede Tarifvertragspartei wird der anderen Seite bis zum 30. November 2011 konkrete Formulierungsvorschläge als Verhandlungsgrundlage unterbreiten.

Der AGV wird die im Rahmen der Verhandlungsverpflichtung einzubringenden MTV-Themen mit den Mitgliedsunternehmen im Rahmen der Gremienarbeit abstimmen.

VI. Maßregelungsverbot

Die Tarifvertragsparteien haben den Wortlaut des Maßregelungsverbots diesjährig neu verhandelt und eine andere Formulierung als noch in den vergangenen Tarifrunden vereinbart. Die neue Formulierung lehnt sich nah an die im Bankenbereich übliche Formulierung an.

ver.di hatte dem AGV i.R.d. vierten Verhandlungsrunde am 21. Juli 2011 eine in rechtlicher Hinsicht ausufernde Klausel zum Maßregelungsverbot unterbreitet, die vorsah, dass jede Maßregelung von Beschäftigten aus Anlass oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung 2011 im Versicherungsgewerbe zu unterbleiben hätte bzw. rückgängig zu machen sei. ver.di hat geltend gemacht, dass die in vergangenen Tarifvereinbarungen verwendete Klausel hinsichtlich des Maßregelungsverbots angesichts der neuen vom BAG für rechtens befundenen Arbeitskampfmethoden zu eng gefasst sei. Die i. R. d. Tarifvereinbarungen aus den vorangegangen Jahren verwendete Klausel stellte lediglich auf die Teilnahme an Warnstreiks und Protestaktionen ab.

Der AGV hat die von ver.di vorgeschlagene Klausel, die u. E. mitunter den Zweck verfolgt strafrechtlich relevante Flashmob-Exzesse der aktuellen Tarifrunde zu legitimieren, entschieden abgelehnt. Im Rahmen einiger von ver.di ausgerufener Arbeitskampfaktionen wurden sog. Arbeitskampfexzesse verübt. Am Streik beteiligte Personen haben Servicenummern von Mitarbeitern aus Service-Centern einiger Versicherungsunternehmen verteilt, anschließend andere Streikende aufgefordert bei erfolgter Verbindung zu einem persönlichen Ansprechpartner, mit einer Trillerpfeife laut in den Hörer zu pfeifen. Der AGV hat eine solche Flashmob-Aktion, die den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt und im Sinne des Arbeitskampfrechts als unverhältnismäßig zu bewerten ist, gegenüber ver.di heftig kritisiert und daher ebenfalls eine entsprechende Ergänzung des Maßregelungsverbots gefordert.

Das Maßregelungsverbot gilt nunmehr für die Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an Streik, Warnstreik und Protestaktionen der vertragsschließenden Gewerkschaft, wobei strafrechtlich relevante Verhaltensweisen ausdrücklich nicht von diesem Maßregelungsverbot erfasst werden. Die zivilrechtliche Rechtsverfolgung von Ansprüchen auf Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den einschlägigen Normen des StGB (z. B. § 223 StGB) ist also ungeachtet des Maßregelungsverbots möglich.

Die auf die vorgenannten, unzulässigen Flashmob-Aktionen hin veranlassten zivil- sowie arbeitsrechtlichen Sanktionen, bleiben daher weiterhin wirksam.

Das Maßregelungsverbot wirkt sich nicht auf die Frage der Lohnfortzahlungspflicht im Falle von Warnstreiks oder Protestaktionen aus, gleich, ob diese Aktionen rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Durch das Maßregelungsverbot wird lediglich die Wirkung herbeigeführt, dass die Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an Streik, Warnstreik und Protestaktionen, von der Rechtsfolgenseite so zu behandeln sind, als ob es sich um rechtmäßige Maßnahmen gehandelt hätte.

Als Folge des Maßregelungsverbots müssen bspw. eventuell erteilte Abmahnungen, die wegen der Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an einem Streik ausgesprochen wurden, zurückgenommen werden.

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