TN 05/2022, 05.04.2022

Tarifabschluss Innendienst 2022 / 2023 / 2024 – Erläuterungen

Nachfolgend erhalten Sie Einzelheiten zu dem am 2. April 2022 für die Innendienstangestellten der Versicherungsbranche erzielten Tarifabschluss.

Neben einer Gehaltserhöhung in zwei Stufen für die in §§ 1, 1 a GTV geregelten Gehälter einschließlich Tätigkeitszulage und Verantwortungszulage sowie der Erhöhung der in § 2 GTV normierten Ausbildungsgehälter wurden Regelungen zu folgenden Themen getroffen:

  • Einmalzahlungen für die Angestellten in Höhe von 550 € im Mai 2022 sowie von 500 € im Mai 2023
  • Eimalzahlung für die Auszubildenden i.H.v. 300 € im Mai 2022 sowie von 250 € im Mai 2023
  • Gewährungen des tariflichen Mehrarbeitszuschlages für Teilzeitkräfte bei Überschreiten der vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeit (und nicht erst bei Überschreiten der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden) ab 1. Oktober 2022
  • Erhöhung der Schichtzulage
  • Verlängerung der Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung bis 31. Dezember 2024
  • Tarifvertrag zur Verlängerung des Höchstüberlassungsdauer bei Arbeitnehmerüberlassung (TV AÜG extern) bis 31. Dezember 2024
  • Verlängerung der Altersteilzeitabkommen für den Innendienst und für den organisierenden Werbeaußendienst zu unveränderten Bedingungen bis 31. Dezember 2024
  • Verlängerung der Tarifregelung zum Übernahmeanspruch für Ausgebildete, allerdings mit Maßgabe, dass auch ein Kooperationsunternehmen des ausbildenden Unternehmens das Arbeitsvertragsangebot unterbreiten kann
  • Maßregelungsverbot
  • Verhandlungsverpflichtung zum Thema „Rückkehrrecht in Vollzeit“

Die Tarifvereinbarung sowie die sich daraus ergebenden Tabellenwerte sind hier in Anlage 1 nochmals beigefügt.

Zu den im Einzelnen getroffenen Regelungen teilen wir Folgendes mit:

I. Einmalzahlung für Angestellte und in anderer Höhe für Auszubildende

Die Tarifvereinbarung vom 2. April 2022 sieht unter Ziff. II. Einmalzahlungen i.H.v. 550 € in 2022 sowie i.H.v. 500 € im Mai 2023 für die Angestellten vor. Die Regelung gilt nicht für Auszubildende. Allerdings erhalten diese zu den gleichen Zeitpunkten Einmalzahlungen i.H.v. 300 € und 250 €.

Anspruchsberechtigt sind jeweils alle Arbeitnehmer, die unter Teil II des MTV fallen und es im Monat der Auszahlung Anspruch auf Bezüge gem. § 3 Ziff. 2 MTV, auf Altersteilzeitvergütung, auf Leistungen gem. § 10 Ziff. 1 bis 3 MTV oder auf Leistungen für die Zeiten der Mutterschutzfristen und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz haben.

Angestellte des Werbeaußendienstes (auch organisierender Werbeaußendienst) und solche Mitarbeiter bzw. Auszubildende, die zu den vorgenannten Zeitpunkten keinen Anspruch auf die vorgenannten Leistungen haben, erhalten keine Einmalzahlung.

In Anlage 2 beigefügt ist ein FAQ zu den rund um das Thema „tarifliche Einmalzahlung“ am häufigsten vorkommenden Fragen.

II. Gewährung des tariflichen Mehrarbeitszuschlages für Teilzeitkräfte

Mit Wirkung ab 1. Oktober 2022 ist die tarifliche Regelung des § 11 Ziff. 2 Abs. 1 S. 1 dahingehend modifiziert worden, dass der Mehrarbeitszuschlag nicht erst bei Überschreiten der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden (§ 11 Ziff. 1 Abs. 1 MTV) gewährt wird, sondern bereits ab Überschreiten der vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeit. Dies hat zur Folge, dass Teilzeitkräfte nicht erst - wie Vollzeitkräfte - ab der 39. Wochenstunde den Mehrarbeitszuschlag erhalten, sondern beispielsweise bei 21-Wochenstunden-Vertrag ab der 22. Wochenstunde.

Voraussetzung für die Gewährung des Mehrarbeitszuschlages ist freilich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Ziff. 2 S. 1 MTV im Übrigen. Dies bedeutet, dass nur über die individuell geregelte Arbeitszeit hinaus geleistete angeordnete Arbeit als Mehrarbeit zu werten ist. Nicht als Mehrarbeit zu werten sind hingegen solche Arbeitszeiten, die im Rahmen von Gleitzeit-Konten-Regelungen über die individuelle Arbeitszeit hinaus erbracht werden und zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeit gewährt werden.

Da im Falle der Vereinbarung von Gleitzeitkonten durch freiwillige Betriebsvereinbarung in Anwendung von § 11 Ziff. 1 Abs. 4 MTV hinsichtlich der Definition von Mehrarbeit betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen und diese durch die tarifliche Änderung nicht beeinflusst werden sollen, gelten die bestehenden betrieblichen Regelungen weiterhin.

Die tarifvertragliche Regelung wurde im Rahmen der Tarifverhandlungen „in letzter Minute“ zum Gegenstand der Tarifeinigung. Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einigkeit, dass die Berechnung des Mehrarbeitszuschlages gemäß § 11 Ziff. 2 Abs. 1 S. 2 MTV bei Teilzeitkräften in analoger Anwendung der Regelung Ziff. 2 der bis zum 31. Dezember 2024 verlängerten Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung (sog. „Arbeitszeitkorridor“) richtet. Diese Regelung lautet wie folgt:

„Der Quotient von 162 des Monatsbezuges für die Berechnung der in § 11 Ziff. 1 Abs. 3, 2 Abs. 1, Ziff. 3 und Ziff. 4 Abs. 1 genannten Zuschläge ist entsprechend anzupassen.“

Die Tarifvertragsparteien werden zu einem späteren Zeitpunkt die neu geschaffene Regelung für Teilzeitkräfte in § 11 Ziff. 2 MTV um eine solche Regelung ergänzen, damit der Norm-Anwender nicht auf eine Analogie angewiesen ist.

III. Erhöhung der Schichtzulage

Mit Wirkung zum 1. September 2022 werden die Schichtzulagen entsprechend der in der Tarifvereinbarung ausgewiesenen Werte erhöht.

IV. Verlängerung der tariflichen Arbeitszeitkorridorregelung

Die seit 13. Dezember 1995 bestehende Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung (TV Arbeitszeitkorridor) wurde bis 31. Dezember 2024 verlängert. Die vorgenannte Tarifvereinbarung ermöglicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung den einzelvertraglichen Abschluss einer längeren Arbeitszeit als 38 Stunden in der Woche auch mit unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmern (Gewerkschaftsmitgliedern).

V. Tarifvertrag zur Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer bei Arbeitnehmerüberlassung (TV AÜG extern)

Der Tarifvertrag zur Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer (TV AÜG extern) wurde bis 31. Dezember 2024 verlängert.

VI. Altersteilzeitabkommen

Die Altersteilzeitabkommen für das private Versicherungsgewerbe vom 22. Dezember 2005 (Altersteilzeitabkommen Innendienst und Altersteilzeitabkommen Außendienst) wurden in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich bis einschließlich 31. Dezember 2024 verlängert.

Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die spätestens am 1. Januar 2025 in Kraft treten, werden unbeschadet des Ablaufs der Abkommen abgewickelt.

VII. Übernahmeanspruch für Ausgebildete mit guten Leistungen

Die tarifliche Regelung zum Übernahmeanspruch für ausgebildete mit guten Leistungen wurde bis 31. Dezember 2024 verlängert.

Mit der Verlängerung verbunden ist allerdings eine auf Veranlassung des AGV vorgenommene Modifikation der bisherigen tarifrechtlichen Regelung. Mit Blick auf die Tatsache, dass einige Versicherungsunternehmen für Partnergesellschaften ausbilden, kann das zum Zwecke der Erfüllung des Rechtsanspruchs notwendige Arbeitsvertragsangebot auch seitens eines Partnerunternehmens unterbreitet werden. Der Tarifvertrag definiert im Einzelnen nicht, welches Unternehmen als Partnerunternehmen zu qualifizieren ist. Letzten Endes kann also jedes dritte Unternehmen, welches in einem bestimmten Bezug zum Versicherungsunternehmen steht, den Anspruch durch ein entsprechendes Vertragsangebot erfüllen. Es handelt sich um einen zivilrechtlich anerkannten Fall der Erfüllung durch einen Drittschuldner.

Der Tarifvertrag schreibt im Einzelnen nicht vor, welche Arbeitsvertragskonditionen beim Kooperationsunternehmen zu gelten haben.

Eine Kommentierung des Übernahmeanspruchs ist in Anlage 3 in aktualisierter Form beigefügt.

VIII. Maßregelungsverbot

Wie auch in der Vergangenheit üblich, haben die Tarifvertragsparteien ein Maßregelungsverbot gegenüber Arbeitnehmern für die Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an Streik-, Warnstreik- und Protestaktionen der vertragsschließenden Gewerkschaften vereinbart. Das Maßregelungsverbot wirkt sich nicht auf die Frage der Lohnfortzahlungspflicht im Falle von Warnstreiks oder Protestaktionen aus, unabhängig davon, ob diese Aktionen rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Arbeitnehmer, die wegen Streikbeteiligung nicht gearbeitet haben, haben keinen Lohnanspruch („Kein Lohn ohne Arbeit!“). Durch das Maßregelungsverbot wird lediglich die Wirkung herbeigeführt, dass die Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an Streik, Warnstreik und Protestaktionen, von der Rechtsfolgenseite so zu behandeln sind, als ob es sich um rechtmäßige Maßnahmen gehandelt hätte.

IX. Verhandlungsverpflichtung

Die Gewerkschaft ver.di forderte bis zuletzt eine tarifliche Regelung zu einem Rückkehranspruch von Teilzeit auf Vollzeit für solche Angestellte, die keine Brückenteilzeit gemäß § 9a TzBfG in Anspruch nehmen konnten. Der AGV hat eine derartige tarifliche Regelung nicht mittragen wollen. Folglich verständigten sich die Tarifvertragsparteien auf eine Verhandlungsverpflichtung, welche vorsieht, dass bis Mai 2023 – ergebnisoffen – Verhandlungen über dieses Thema aufgenommen werden müssen.

Der AGV wird die Strategie des Umgangs mit dieser Verhandlungsverpflichtung in seinen Gremien abstimmen und seine Mitgliedsunternehmen über den Verlauf der Verhandlungen stets unterrichten.

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